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Kreuzberg

Kreuzberg

Titel: Kreuzberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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Hände.
»Foltern Sie mich: Ich habe wirklich keine Ahnung.«
    »Schon
gut«, knurrt Hünerbein. »Sind die Äpfel da gewaschen?«
    »Aber ja,
keine Pestizide, wenn Sie das meinen. Sehen Sie?« Der Gemüsehändler nimmt sich
einen Apfel und beißt hinein. »Alles gut.«
    »Geben Sie
mir zwei davon.« Hünerbein kramt sein Portemonnaie hervor und zahlt. »Bevor die
Mondpause beginnt.«
    Apfelessend
laufen wir in die Nostitzstraße. Sie ist ebenfalls in fußläufiger Entfernung,
hier hat Swantje Steffens gelebt.
    Ich kenne
das Haus und betrete es mit düsteren Erinnerungen. In den Achtzigern war hier,
in der Nostitzstraße 21, eine junge Studentin ermordet worden.
Zweiundzwanzig Messerstiche. Die Küche sah aus wie ein Schlachtfeld. Es war
einer meiner ersten Fälle in der Mordkommission. Einer von denen, die man nie
vergisst. Ich bin froh, dass die Steffens nicht auch noch in derselben Wohnung
wohnt.
    Die Tür ist
aufgebrochen und nur angelehnt. Hünerbein zieht seine Waffe und entsichert sie
lautlos. Ich habe, wie so oft, keine Waffe dabei. Die liegt bei mir zu Hause
eingeschlossen im Nachttisch. Vorsichtig stoße ich die Tür auf. Hünerbein
schiebt sich hinter seiner Dienstwaffe in die Wohnung. Ich bleibe dicht an ihm
dran.
    Im Flur ist
es dunkel, und bis auf eine gehen sämtliche Türen rechts ab. Eine fürs Klo, ich
öffne sie geräuschlos, und eine für die Küche. Auch sie ist leer. Geradezu geht
es ins Wohnzimmer, die Tür steht halb offen, und ich sehe ein Stück vom Sofa. IKEA wahrscheinlich, genau wie der schmale grüne Teppich davor. Papiere liegen auf
dem Boden herum und zerfledderte Bücher. Deutlich sind Geräusche zu hören, das
Auf- und Zuziehen von Schubladen, das Öffnen von Schränken. Irgendwer durchwühlt
die Wohnung!
    Hünerbein
und ich nicken uns zu.
    »Auf drei«,
flüstere ich kaum hörbar und zähle es mit den Fingern ab. Dann stürmen wir das
Wohnzimmer.
    »Hände
hoch! Kriminalpolizei! Keine falsche Bewegung!«
    Ein gut
aussehender Anatolier, der gerade ein Billy-Regal ausgeräumt und eine
verblüffende Ähnlichkeit mit dem Schauspieler Omar Sharif hat, reißt hastig die
Arme hoch.
    »Nein!
Nicht schießen, bitte!« Ängstlich starrt er auf Hünerbeins Dienstpistole.
    »Suchen Sie
zufällig das?« Ich halte die beiden Schlüssel mit den Plastikanhängern hoch,
die die Tote in ihrer Handtasche bei sich trug. Ein Autoschlüssel für einen
Mercedes, mit dem anderen entriegelt man wohl die Parkkralle.
    »Sie sind
Hüseyin Misirlioglu, nehme ich an?«
    Der
Anatolier nickt, ohne die Hände herunterzunehmen. Ich suche ihn nach Waffen ab.
Er hat nicht mal ein Messer dabei.
    »Sie sind
vorläufig festgenommen«, kläre ich ihn auf. »Sie stehen in Verdacht, die
Vollzugsbeamtin Swantje Steffens umgebracht zu haben.«
    Hüseyin
Misirlioglu reißt die Augen auf. »Was? Sind Sie verrückt?«
    »Ganz
sicher nicht.«
    Ich
beobachte ihn. Für einen Mann, der seine Schulden nicht bezahlen kann, ist er
auffällig gut gekleidet. Er trägt ein elegantes italienisches Hemd, der Anzug
ist offenkundig maßgeschneidert. Dunkelblaue, leichte Schurwolle, in der
Brusttasche des Sakkos steckt ein auffälliges Einstecktuch, das zur Farbe der
Krawatte passt. Er wirkt wie ein italienischer Lebemann, wie ein Mailänder
Modezar vielleicht, aber ganz sicher nicht wie ein Blumenhändler.
    »Die
Steffens ist tot?«, fragt er ungläubig.
    »Wo waren
Sie heute Nacht zwischen null und ein Uhr?«
    »Hören
Sie«, stammelt er, »ich bringe doch keine Frauen um. Ja, ich habe Schulden.
Steuerschulden, aber deswegen werde ich nicht zum Mörder. Ich liebe Frauen!«
Theatralisch fällt er auf die Knie. »Geben Sie mir die Schlüssel«, sagt er
flehend und streckt die Hände aus. »Ich brauche den Wagen. Dringend!«
    »Wo Sie
heute Nacht waren?«, werde ich lauter.
    »Zu Hause
natürlich. Ich habe mich gestritten mit dem Chef von der Zyankali-Bar. Weil
dieser Idiot …«
    »… die
Polizei gerufen hat?«
    »Warum hat
er sich nicht rausgehalten? Ich war wütend. Beinahe hätten wir uns geprügelt.«
    »Und das
war zwischen null und ein Uhr?«
    »Bei Allah,
ich liebe die Frauen«, bleibt er die Antwort schuldig, »sie sind wie meine
Blumen. Nie könnte ich sie töten. Obwohl diese Steffens unglaublich ehrgeizig
war«, regt er sich auf. »Jeder Mann hätte ein Einsehen gehabt, Aufschub
gewährt, die Schulden gestundet, irgendwas – nicht aber diese Frau!« Er
schüttelt fassungslos den gut frisierten Kopf. »Kann man einem nackten

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