Kreuzberg
Mann in
die Tasche greifen? Mit Sicherheit nicht. Aber diese Steffens wollte das
partout nicht einsehen …« Er blinzelt kaum merklich, wendet plötzlich
seinen Blick von uns ab.
Aber wohin
schaut er?
Ich will
mich gerade umdrehen, als mich ein ungeheurer Schlag zu Boden wirft. Im Fallen
sehe ich, dass auch Hünerbein von hinten angegriffen wird. Er stürzt nach vorn,
seine Pistole schliddert über den Boden. Dann erst bemerke ich die zweite Tür.
Sie führt in einen weiteren Raum, vielleicht das Schlafzimmer, was weiß ich? Es
ist auch egal, wir hatten diese Tür beim Eintreten nicht wahrgenommen, und so
war sie ungesichert geblieben.
Ein fataler
Fehler, denke ich noch, was für ein beschissener Fehler.
Dann wird
es dunkel in meinem Kopf. Schwarz und unendlich finster …
9 MEYER SPÜRTE, dass ihm die Zeit davonlief. Den
ganzen gestrigen Tag hatte er noch versucht, diese Cordula wieder ausfindig zu
machen. Zunächst nahm er an, über ihren giftgrünen Corsa etwas herausbekommen
zu können, aber dafür hätte er sich das Kennzeichen merken müssen. Vielleicht
war jemandem am Steinplatz das Fahrzeug aufgefallen, während sie im Café der
Filmbühne saßen. Dem Kioskbetreiber etwa, der Corsa war direkt gegenüber
geparkt. Doch niemand erinnerte sich.
Am Ende war
Meyer zu Monika gefahren und hatte um frische Wäsche gebeten. Sie wohnte in
einem dieser großzügigen Gründerzeithäuser in der Akazienstraße und hatte seine
Sachen auf dem Dachboden zwischengelagert. Während Monika ihm rasch ein paar
Hemden wusch, war er unter dem Vorwand, einige seiner Bücher zum Lesen
mitnehmen zu wollen, auf dem Speicher geblieben, um die heimlich unter den
Dielen versteckten HVA -Akten zu sichten.
Vergebens. Kein Hinweis auf einen Decknamen Cordula. Wie auch, sie hatte zur
Hauptabteilung zwo gehört, und von denen besaß er keine Unterlagen.
Blieb nur
noch Juri Lambertz. Der Deutschrusse saß in der Poststelle der Tegeler
Justizvollzugsanstalt und war bekannt dafür, jede Information besorgen zu
können. Doch Juri kostete Geld. Viel Geld. Geld, das Meyer nicht hatte.
Trotzdem versprach Juri, Augen und Ohren aufzusperren.
Heute
Vormittag schließlich war Heribert Naumann in der JVA aufgetaucht. Der Anwalt hatte darauf bestanden, Meyer nicht im Besuchszimmer zu
treffen, sondern draußen auf dem Freistundenhof. Da konnte man wenigstens nicht
abgehört werden. Naumann schien also involviert zu sein. Zumal er mühelos all
jene Namen herunterbetete, die auf der Liste des sowjetischen Militärattachés
vermerkt waren und die auch Meyer inzwischen perfekt im Gedächtnis hatte. Namen
und Daten von Spionen und Agenten. Kundschaftern des Friedens, wie man sie zu DDR -Zeiten
nannte. Bis heute saßen sie unerkannt an den wichtigen Schaltstellen der Bundesrepublik.
In Ministerien und Behörden, den Chefetagen strategisch wichtiger Konzerne.
»Dieser
Jablonski«, erkundigte sich Naumann, während sie langsam und mit auf den Rücken
verschränkten Armen über den Freistundenhof liefen, »ist doch ein wichtiger
Mann im Bundespresseamt, richtig?«
»Ja«,
nickte Meyer. »Er war für die strategische Desinformation zuständig. Nahm
Einfluss auf die offizielle Sicht der Bundesregierung zum Beispiel beim
Honecker-Besuch 1987.«
»Zuverlässig?«
»Früher war
er das. Galt als anständiger Kommunist, als ein Mann, der für seine
Überzeugungen lebt.«
»Gut.« Der
Anwalt schien zufrieden. »Was ist mit Heuberger?«
»Verbindungsmann
der Bundesregierung zur NATO -Zentrale in Brüssel. War
nicht einfach, ihn dort zu positionieren. Nimmt vor allem Einfluss auf
bevorstehende NATO -Operationen. Ein Top-Agent. Mit allen
Wassern gewaschen.«
»Immer
noch?«
»Wie meinen
Sie das?« Meyer verstand nicht gleich. »Soweit ich weiß, ist er noch aktiv.«
»Ja, aber
wir machen uns Sorgen um seine Loyalität.« Der Anwalt kickte einen kleinen
Stein beiseite. »Wenn unsere Informationen zutreffen, hat Heuberger kürzlich
geheiratet. Eine Belgierin.«
»Na und?«
Meyer fühlte sich plötzlich unbehaglich. Viele der Aufklärer hatten im Westen
geheiratet, das gehörte zu deren Tarnung. Etliche hatten sogar Kinder.
»Wir haben
die Frau überprüfen lassen«, sagte Naumann, »sie steht in Verdacht, für den
britischen Geheimdienst zu arbeiten.«
Sieh an,
sieh an, dachte Meyer. Die Frage ist, wer hier wen anzapfen wollte. Das ist die
Krux in diesem Geschäft: Man weiß nie genau, mit wem man es wirklich zu tun
hat.
Und
Naumann? Für wen stand
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