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Kreuzberg

Kreuzberg

Titel: Kreuzberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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»Johanna Olbrich, ich erinnere mich.«
    Ja, dachte
Meyer, natürlich erinnerst du dich. »Ich muss diese Cordula schnellstmöglich
treffen!« Er fiel in seinen alten Befehlston als Führungsoffizier zurück. »Ich
kenne ihren Klarnamen nicht, aber sie erwartet, dass ich mich melde. Sie hat
mir sogar eine Telefonnummer gegeben, aber«, Meyer lachte auf, »ich habe sie
verloren. Wie das Leben so spielt, nicht wahr, Naumann? Bevor wir hier also
weitermachen mit unserer kleinen Staatsverschwörung, möchte ich, dass Sie diese
Cordula für mich ausfindig machen. Und zwar so schnell wie möglich.«
    »Sie wollen
mich testen!«
    »Nein,
Naumann, es geht um weit mehr«, erwiderte Meyer eindringlich. »Finden Sie diese
Cordula! Falls es Ihnen hilft: Sie hält sich in der Stadt auf und fährt einen
grünen Corsa.«
    »Viel ist
das nicht«, knurrte der Anwalt ungehalten. »Haben Sie wenigstens das
Kennzeichen von dem Corsa?«
    »Das wäre
toll.« Meyer lachte. »Aber dann könnte ich diese Cordula auch allein ausfindig
machen.« Er klopfte Naumann verständig auf die Schulter. »Ich weiß, dass es
nicht einfach wird, aber wofür haben wir Sie ausgebildet? – Ich gebe Ihnen
Zeit bis Montag früh.«
    »Aber das ist
unmöglich«, protestierte der Anwalt, »sagen Sie mir wenigstens, was los ist!«
    »Wenn ich
es weiß, Naumann«, Meyer wandte sich ab, »erfahren Sie’s als Erster.«
    Der Anwalt
starrte ihm nach, bis er im Zellentrakt verschwunden war.

10    DER EISBECHER in der Gelateria Roma schmolz
allmählich dahin. Hüseyin rührte ihn nicht an. Obwohl seine Söhne darauf
bestanden hatten. Süßes beruhige die Nerven. Doch Hüseyin konnte nichts essen.
Denn direkt gegenüber, hinter den mit dicken Ketten verschlossenen rostigen
Stahltoren des alten Straßenbahndepots in der Belziger Straße, befand sich sein
Wagen.
    Straßenbahnen
fuhren hier schon lange keine mehr. In den sechziger Jahren waren sie
abgeschafft worden, zugunsten von Omnibus- und U-Bahn-Linien – zumindest
im reichen Westen. Der Ostteil der Stadt dagegen hatte sich einen derartigen
Wechsel der Verkehrspolitik nicht leisten können. Dort fuhren sie noch immer,
die guten alten Straßenbahnen, umweltfreundlich und ganz ohne
Schadstoffe – manchmal war Armut eben doch zu etwas gut.
    Heute
diente das Depot der Berliner Polizei als Sammelstelle für sichergestellte
Kraftfahrzeuge. Dicht an dicht standen hier verlassene Unfallwagen und
Dubletten, die aufgemotzten Schlitten von verhafteten Zuhältern und Dealern,
die Fluchtautos irgendwelcher Bankräuber und Gangster.
    Und
Hüseyins Mercedes, eine E-Klasse mit allem Drum und Dran. Fünfundzwanzig Jahre
lang hatte der Blumenhändler jeden Pfennig umgedreht, um sich diesen Wagen
leisten zu können. Der Traum hatte ihn ein Vermögen gekostet. So was fuhren
sonst nur Chefs.
    Unruhig sah
Hüseyin rüber zum Heinrich-Lassen-Park. Sein Sohn Cemir hatte dort auf einer
Parkbank Stellung bezogen und ließ die Kfz-Sammelstelle nicht aus den Augen. In
seiner Sporttasche lag ein starker Bolzenschneider. Wenn es so weit war, wollte
er damit zügig die Ketten trennen, mit denen das Tor zum Depot verschlossen
war.
    Orhan war
in der Gothaer Straße verschwunden. Dort war weniger los als auf der Belziger
Straße, und es gab hohe Bäume, in deren Schatten man unauffälliger die alten
Backsteinmauern überwinden konnte, die das Depot zu allen Seiten hin
umschlossen.
    Hüseyin war
nervös. Er konnte sich nicht vorstellen, dass man der Polizei einfach so ein
Auto unter den Augen wegstehlen konnte. Was, wenn sie erwischt wurden?
    Unsinn,
hatten ihn die Söhne beruhigt. Zum einen stahlen sie ja kein Auto, sondern
holten sich nur ihr Eigentum wieder. Und zum anderen sei das Depot am
Wochenende kaum besetzt. Eine Behörde habe samstags in der Regel frei. Das
gelte auch für die nachrangigen Dienststellen der Polizei.
    Tatsächlich
lag das Depot ziemlich verlassen in der frühen Nachmittagssonne, und es waren
weder Wachleute noch Polizisten zu sehen. Trotzdem hatte Hüseyin Angst. Angst
um sich und seine Söhne. Er war schließlich kein Gangster. Er war nur ein Mann,
der dringend seinen Wagen brauchte.
    Die
Probleme begannen damit, dass die Mauer, über die Orhan klettern wollte, keine
Mauer war, sondern ein Gebäude. Plötzlich fand er sich auf dem Dach irgendeines
Schuppens wieder, der von außen zwar wie eine Begrenzungsmauer ausgesehen
hatte, in Wirklichkeit aber das Quartier des diensthabenden Hauptwachtmeisters
war, der an

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