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Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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ihr beigebracht, mit einer Schleuder zu jagen, und der eine oder andere Hase fiel ihr zum Opfer. Vor allem aber hatte sie es auf Pilze abgesehen. Die suchte sie jedoch am liebsten alleine, um die reichsten Fundstellen nicht teilen zu müssen.
    Als sie am vierten Abend von ihren Streifzügen zurückkam, hatte sich der Unteroffizier Ernst am Marketenderzelt eingefunden und trank, in der Abendsonne sitzend, sein Bier.
    »Elisabeth, du solltest Toni nicht alleine umherziehen lassen. Das mag zwar hier ein friedliches Örtchen sein, aber ich habe Gerüchte gehört, dass eine Bande Gauner die Gegend unsicher macht.«
    »Ich werde Toni in Ketten legen lassen müssen. Das Kind entwischt mir immer wieder.«
    Toni grinste ihn an und stellte dann den Korb mit Pfifferlingen auf den Tisch.
    »Was sollten die Gauner wohl mit einem schmutzigen kleinen Jungen anfangen wollen, Ernst?«
    »Toni!« Der Unteroffizier sah sie sehr eindringlich an. »Du würdest dich wundern, was diese rohen Gesellen mit dir anstellen könnten. Fänden sie heraus, was du wirklich bist, würde es dir mehr als schlecht ergehen.«
    Ernst wusste natürlich um Tonis Verkleidung und hieß sie im Grunde gut. Er war aber mehr an Elisabeth interessiert, das Mädchen war ihm eher gleichgültig. Nichtsdestotrotz sah er sich gezwungen, sie diesmal zu ermahnen.
    »Es gibt hier einige Fuhrleute, die sich mit ihren Transporten über die Grenze ordentliches Geld verdienen. Sie kennen alle Nebenwege und kommen weit herum. Aber vor Kurzem ist eine Fuhre direkt am Wirtshaus oben an der Hecke überfallen und geplündert worden.«
    »Dann sind die Diebe sicher über alle Berge.«
    »Nicht unbedingt, Toni. Wenn es sich gelohnt hat, werden sie vielleicht ihr Glück noch einmal hier versuchen.«
    »Was hatte die Fuhre denn geladen?«
    »Darüber habe ich nichts gehört. Nur, dass sie nach Frankfurt unterwegs waren. Also muss es wertvoll gewesen sein. Wegen einer Ladung Heu wird man sie nicht beraubt haben.«
    »Aber Mama, mit all den Soldaten hier herum wird es schon keine Überfälle geben.«
    Doch Elisabeth schüttelte nachdrücklich den Kopf.
    Toni war kein unwissendes Jungferchen, ihr war klar, was sich zwischen Männern und Frauen abspielte. Man lebte nicht auf engem Terrain mit Soldaten, Wäscherinnen und Trosshuren zusammen, ohne nicht auch deren delikatere Beschäftigungen kennenzulernen. Elisabeth hatte ohne Scheu ihre Fragen dazu beantwortet. Sie hatte sie gewarnt, und zwar nicht nur vor den Männern, die sich an den Frauen vergriffen, sondern auch vor jenen, die ihr Augenmerk auf hübsche Buben richteten. Toni nahm es zwar ernst, aber eine Bedrohung hatte sie bisher nicht erfahren, und so hielt sich ihre Angst in Grenzen.
    Sie wäre dennoch nicht so weit in den Wald eingedrungen, hätten sie nicht eines Tages die Steinpilze so sehr gelockt, dass sie darüber den Blick zum Himmel vergaß. Die Ausbeute war reichlich, und Tonis Korb füllte sich. Noch war ihr die Gegend vertraut, immer wieder blieb sie stehen, um sich den Rückweg zu merken. Doch als sie ein paar reife, dicke Brombeeren aus den Büschen pflückte, bemerkte sie plötzlich, dass die Sonne verschwunden war. Ja, es verfinsterte sich zusehends. Schwarzes Gewölk zog auf, und schon rauschte eine kräftige Windbö durch die Blätter. Toni steckte ihr Messer ein und nahm den Korb auf, um sich zügig auf den Heimweg zu machen.
    Ein Donnerschlag ließ die Welt erbeben. Dann brach das Gewitter mit aller Gewalt los. Blitze zuckten auf, es grollte und krachte Schlag auf Schlag, und ein gewaltiger Regenguss setzte ein. Hagel durchschlug mit dicken, harten Eissplittern die Laubbäume, sie boten keinen Schutz mehr. Toni ließ den Korb fallen und lief, die Hände schützend über dem Kopf, auf die dunklen Tannen zu, deren dichtes Geäst nicht ganz so durchlässig war. Zusammengekauert hockte sie sich auf den mit trockenen Nadeln bedeckten Boden und gestand sich eine erbärmliche Angst ein. Sie hielt sich mit einem Aufschluchzen die Ohren zu, doch die Donner ließen die Luft erbeben. Noch tiefer versuchte sie sich im Unterholz zu verkriechen.
    Das erwies sich letztlich als ein Fehler.
    Das Gewitter zog weiter, das Grollen wurde zum fernen Grummeln, die Sonne ließ ihre Strahlen wieder durch die Zweige fallen. Aber Toni hatte die Orientierung vollständig verloren. Sie irrte lange umher, ohne eine bekannte Stelle zu finden. Schließlich entdeckte sie die mit Grassoden bedeckten Köhlerhaufen und die einsame Hütte.

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