Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
Speichelversprühen auszusprechen.
Toni ergänzte die nüchterne Information mit den Mutmaßungen, die sie aufgeschnappt hatte.
»Es ist die Versammlung der rechtsrheinischen Landesfürsten. Unser Landgraf Ludewig soll mit Napoleon ausgehandelt haben, dass er ein Stück von Westfalen erhält. Ich habe mir das von Ernst auf der Karte zeigen lassen. Dieses Westfalen liegt ziemlich weit im Norden von hier und hat eigentlich keine Verbindung mit der Grafschaft Darmstadt.«
Ernst war ein Unteroffizier, der eine gewisse Zuneigung zu Elisabeth entwickelt hatte, die zu erwidern sie nicht abgeneigt war. Er war, wann immer sein Dienst es erlaubte, zu Gast in ihrem Haus.
»Mir hat Ernst erzählt, es sollen angeblich alle Kirchen aufgelöst und verkauft werden«, fügte Elisabeth hinzu. »So, wie sie es in Frankreich gemacht haben. Sie reißen all die schönen Bilder herunter und schmelzen das goldene Messgerät ein. Auf dem Markt erzählen sie, sie plündern sogar die Reliquien.«
Das schmerzte sie beide sehr, denn sie beteten gerne in prächtig ausgestatteten Kirchen und hatten ihre Freude an glitzerndem Metall und funkelnden Edelsteinen – Kostbarkeiten, die sie sich selbst nicht leisten konnten, an deren Anblick sie sich aber erfreuten.
»Mhm!« Toni überlegte, dann leuchteten ihre Augen auf, als sie eine Schlussfolgerung gezogen hatte. »Mama, du erzählst immer, Köln sei eine Stadt mit reichen Kirchen und Klöstern.«
»Ja, das ist richtig.«
»Angeblich gehört das Stück Westfalen, das der Landgraf haben will, zu Kurköln. Es gibt da wohl etliche Klöster und Stifte, meint Ernst.«
»Vermutlich ebenfalls reich.«
Elisabeth mochte keine gebildete Frau sein, aber die menschliche Natur kannte sie. Ob Bauer oder Offizier, ob Fuhrknecht oder Landgraf – in manchen Dingen waren sie alle gleich. Von Ludewig dem Zehnten hatte sie bisher nur Gutes gehört, er war ein Landesvater, der sich um seine Kinder kümmerte und den Ruf hatte, ein sehr kultivierter Mann zu sein. Er umgab sich gerne mit Kunst und sammelte sie mit Leidenschaft, sagte man. Die alten kurkölnischen Klöstern und Stiften beherbergten vielerlei Kunstgegenstände.
»Er wird die Kirchenschätze haben wollen. Das ist vermutlich mehr Entschädigung als das bisschen Land, was er dort erhält. Er wird sie sogar ziemlich schnell haben wollen. Die Habgier ist ein starker Antrieb und macht auch vor reichen Landgrafen nicht Halt«, sann sie laut vor sich hin.
»Jupp und Franz werden also bald aufbrechen«, folgerte Toni ganz richtig.
»Ich werde mich um eine Lizenz als Marketenderin bewerben.«
Toni grinste zufrieden. »Und ich werde weiter Hosen tragen.«
Ihre Mutter seufzte ergeben.
Im August war es in der Tat so weit. Das Heer rückte aus und machte sich in der Sommerhitze auf den Weg nach Westfalen. Elisabeth und Toni folgten der Kolonne, die von Oberst von Schaeffer geführt wurde. Es war ein beschwerlicher Marsch, die Soldaten und ihr Tross litten unter der brennenden Sonne und dem Staub, den Stiefel und Räder aufwirbelten, obwohl der Weg durchgehend über gut gehaltene Chausseen führte. Nur hin und wieder boten schöne Pappelalleen kühlen Schatten. Dennoch hörte man nur wenig Murren. Die Bevölkerung nahm die Truppen gastfreundlich auf, man versorgte sie mit Nahrungsmitteln und gab ihnen Unterkunft. Die Offiziere hielten strenge Disziplin, selten gab es unliebsame Zwischenfälle. Abends kamen oft Jupp und Franz zu Elisabeth und erzählten ihr von ihrem neuen Leben. Sie brachten ihre Kameraden mit, und sie fanden immer eine nahrhafte Suppe und meist auch ein Fässchen Bier oder Wein vor.
Anfang September erreichten sie die Grenze zu Westfalen und machten am Fuße eines waldigen Bergrückens Halt. Hier sollte sich die gesamte Truppe versammeln.
Die Chevauxlégères fanden in Altenkleusheim, einer kleinen Ansiedlung von strohgedeckten Häusern und Katen, Quartier, und auch Elisabeth richtete sich dort ein. Es würde mehrere Tage dauern, bis alle Truppenteile beieinander waren, es stand also Zeit zur Verfügung, die zahlreichen anstehenden Arbeiten zu erledigen, die auf dem Marsch liegen geblieben waren. Die Frauen im Tross machten sich über die Wäsche her, die Soldaten kümmerten sich um ihre Pferde, Waffen und Uniformen, und Toni, die sich gerne vor der Wäsche drückte, durchstreifte alleine oder mit anderen jüngeren Mitgliedern des Trains die Dörfchen, die Heide und den Wald. Selten kam sie ohne Beute zurück. Ihre Brüder hatten
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