Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
Franz?«
»Ja, Mama. Wir können doch nicht ewig Kohlköpfe verkaufen.«
»Nein, das könnt ihr wohl nicht. Hoffen wir aber, dass uns der Frieden erhalten bleibt.«
Altklug mischte sich Toni ein: »Sie haben in Lunéville beschlossen, den Franzosen das ganze linke Rheinufer zu überlassen. Die Fürsten hier auf der Seite werden für die Gebiete entschädigt, die sie dadurch verlieren. Ihr werdet bestimmt irgendwohin marschieren müssen, um die neuen Länder zu besetzen.«
»Wo schnappst du nur immer solche Sachen auf, Toni?«, fragte Jupp erstaunt.
»Der alte Feldwebel mit der Augenklappe hat es mir erklärt.«
»Kind, du sollst dich nicht in den Wirtsstuben herumdrücken«, mahnte Elisabeth sie.
»Hab ich gar nicht. Er hat draußen auf den Stufen gesessen.«
Franz legte Toni die Hand auf die Schulter. »Sie könnte wohl Recht haben, Mama. Aber es wird sicher so bald keine Kämpfe geben. Wir werden erst einmal unsere Ausbildung machen. Hier, das haben wir für dich. Kauf dir und Toni etwas Hübsches davon.« In zwei Lederbeuteln übergaben die Zwillinge ihrer Mutter das Handgeld, das sie von den Werbern erhalten hatten. Dann verabschiedeten sie sich, um sich auf den Weg nach Darmstadt zu machen.
Eine Weile saß Elisabeth bewegungslos auf der schmalen Bank neben dem Kamin, während Toni eifrig die Goldstücke zählte.
»Antonia!«
Toni sah verblüfft auf. Lange nicht mehr hatte sie jemand mit ihrem Mädchennamen angeredet. Sie ging zu ihrer Mutter, die sie an sich zog.
»Nun bist du alles, was mir bleibt«, seufzte sie leise und strich ihrer Tochter durch die kurzen, lockigen Haare.
»Du bist traurig, weil sie jetzt Soldaten sind.«
»Natürlich. Ich habe es seit einiger Zeit geahnt. Wir werden sehen müssen, wie wir zurechtkommen, nicht wahr?«
Toni schmiegte sich an sie. Elisabeth war sechsunddreißig Jahre alt, eine kräftige Frau, deren kastanienbraune Haare noch kein Grau aufwiesen. Sie war hübsch, doch der Kummer hatte einige Fältchen in ihr Gesicht gegraben. Den Verlust ihres Mannes hatte sie zwar nicht überwunden, aber sie arrangierte sich damit. Tatkräftig und erfindungsreich war sie immer gewesen, und nur die vier Monate nach Wilhelms Tod war sie lethargischem Nichtstun anheim gefallen. Inzwischen hatte sie wieder einen kleinen Marktstand eröffnet, der sich bei den Dorfbewohnern großer Beliebtheit erfreute.
»Du wirst allmählich erwachsen, Toni, wir müssen auch darüber nachdenken. Du kannst nicht weiter als Junge herumlaufen. Zwölf Jahre wirst du im Dezember. Bald wird sich dein Körper verändern.«
»Ich will aber kein Mädchen sein. Die müssen in solch dummen Kleidern herumlaufen und benehmen sich wie blöde Ziegen.«
Toni galt in der Umgebung als Junge und hegte eine ausgesprochene Verachtung für die gleichaltrigen Mädchen, mit denen sie die Dorfschule besuchte.
»Du kannst es nicht vermeiden. Wir werden uns etwas einfallen lassen, wie wir den Wandel begründen.«
Toni grinste ihre Mutter plötzlich an. »Das wird runde Augen geben, wenn ich plötzlich mit Schleifen im Haar und Rüschenröckchen auftauche.«
»Ich fürchte auch. Vielleicht sollten wir von hier fortziehen.«
»Willst du wieder als Marketenderin arbeiten, Mama?«
»Nein, Toni. Obwohl es gutes Geld gibt.«
»Auch nicht, wenn Jupp und Franz Order bekommen, auszurücken und ein fremdes Gebiet zu besetzten?«
Nachdenklich betrachtete Elisabeth ihre Tochter. Sie war eine lebenserfahrene Frau, die ein gutes Gespür für Menschen und Situationen entwickelt hatte. Sie nahm ihre Tochter, die so begierig Nachrichten aus der großen Welt sammelte, durchaus ernst, wenngleich sie ihren Wissensdurst selbst nicht teilte. Ihre Welt war kleiner und rankte sich um das tägliche Überleben. Schließlich nickte sie.
»Manchmal bist du beinahe zu klug für dein Alter, Toni. Ich werde mich umhören, was man dazu zu sagen hat.«
Das taten sie beide. Einige Tage später betrachteten sie ihre Ausbeute bei einer heißen Honigmilch.
»Es heißt, im Reichs... depu … dingsbums wird darüber verhandelt, wer von den Fürsten auf der rechten Rheinseite welche Gebiete an die Franzosen auf der linken Rheinseite abzugeben hat und welche sie als Entschädigung erhalten. Das habe ich hier gelesen.« Toni breitete einen halbzerrissenen Fetzen Zeitung aus.
»Der Reichsdepu …?« Auch Elisabeth hatte ihre Schwierigkeiten mit dem Wortungeheuer Reichsdeputationshauptschluss, das vermutlich kein Mensch in der Lage war, ohne Stottern und
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