Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
betrachtete David dann wieder eingehend.
»Hungrig?«
»Danke, aber...«
»Hungrig! Kommen Sie, Emma hat eine Hasenpastete gemacht, und die kriegt sie immer besonders gut hin. Ein kühles Bier können Sie auch vertragen.« Ohne Umstände schob er David in eine geräumige Küche, wo eine junge Frau geschäftig am Herd werkelte.
»Ein Gast zum Füttern, Tochter.«
Emma, mit einem ebenso runden Gesicht wie das ihres Vaters, aber von weitaus zierlicherer Gestalt, nickte David freundlich zu und nahm noch einen Teller und einen Becher vom Bord.
»Sie haben eine Wanderung gemacht?«, wollte Leopold Stark wissen, als sie sich an den Tisch setzten.
»Ja, die Elbe hinunter und wieder zurück. Es war oft atemberaubend. Aber Sie müssen mir meinen Aufzug nachsehen, ich reiste mit wenig Gepäck.«
»Die beste Form zu reisen. Erzählen Sie uns davon!«
David war zwar immer noch verunsichert, aber der Mann hatte eine unkomplizierte Art, und bei der ausgezeichneten Fleischpastete berichtete er über seine Eindrücke aus dem Elbsandsteingebirge. Sowohl Emma als auch sein Gastgeber kannten die Gegend, und das Tischgespräch verlief anregend und entspannt.
»So, und jetzt kommen Sie mal mit, junger Mann!«, forderte Stark ihn auf, als die letzten Krümel vertilgt waren. Er führte David in ein Kontor, das vollgestopft mit Aktendeckeln, Ziegelstücken, Granit und Marmorbrocken, Zeichnungen, Tabellen und Berechnungen war.
»Sie sind ein Baumeister«, erkannte David und blieb vor dem Grundriss eines Hauses stehen.
»Richtig gefolgert, junger Freund. Paul schrieb, er schicke mir mit Ihnen einen rohen Stein, der eine fachkundige Hand benötigt. Angeblich sind die gröbsten Ecken und Kanten aber schon begradigt worden. Wenngleich mit untauglichem Handwerkszeug.«
»Wenn Sie meinen.«
»Wir werden sehen. Sie erzählten, Sie haben unterwegs Zeichnungen gemacht. Haben Sie die dabei?«
David hatte auf dem Rückweg noch einmal in Königstein Station gemacht und sich bei der Krämerin mit weiterem Material eingedeckt. Die Lust zum Zeichnen war nach den langen Gesprächen mit dem Maler in ihm beinah übermächtig geworden. Natürlich hatte er die Mappe mit den Skizzen in seinem Tornister. Er holte sie hervor und legte sie auf den unordentlichen Schreibtisch. Der Baumeister schlug sie auf und betrachtete stumm Blatt um Blatt. Dabei brummte er und stellte dann fest: »Sie haben eine Vorliebe für die Gotik. Wie kommt’s?«
David lachte leise auf. »Seit ich einen Stift in der Hand halten kann, habe ich gotische Spitzbogen und Maßwerke gekritzelt. Ich hatte den Kölner Dom ständig vor Augen, wissen Sie! Und mein Vater hat mich dazu ermutigt.«
»Ihr Vater ist ein Maurer?«
»Mein Vater ist ein Domkapitular.«
»Das eine schließt das andere nicht aus.«
David verstand. »Nein, in der Tat nicht.«
»Und du, mein Junge?«
»Ich? Ich möchte Architekt werden.« So, jetzt war es raus! Das, womit David die letzten Wochen gerungen hatte, die Zweifel, die ihn geplagt hatten, die Suche nach dem neuen Ziel in seinem Leben waren beendet. Er überraschte sich selbst mit der Endgültigkeit seiner Aussage. Aber er fühlte sich plötzlich unendlich erleichtert.
»Bist du bereit, harte Arbeit zu leisten?«
»Ja, Herr Stark, das bin ich.«
»Nenn mich Meister Leopold. So wie alle meine Leute. Du wirst auf meinen Baustellen arbeiten. Als Lehrling. Du wirst Mörtel mischen und Gips anrühren und lernen, eine Mauer hochzuziehen. Du wirst Planken schleppen und Rohre verlegen und später sogar in der Lage sein, einen ordentlichen Bogen zu mauern. Sprich mit dem Polier die Zeiten ab, an denen du an der Kunstakademie diesen Firlefanz über ionische und dorische Säulen und die harmonischen Gesetze der Fassadenaufteilung hörst. Ich gebe dir einen Brief an einen Professor mit, der dir mit den Formalitäten hilft. Abends aber, mein Junge, wirst du dich den wirklich wichtigen Themen widmen. Da bringe ich dir nämlich die Grundzüge der Statik bei. Wenn du dann noch genug Energie hast, kannst du Emma zum Tanz ausführen.«
Überwältigt konnte David nur antworten: »Jawohl, Meister Leopold!«
»Bist du sehr verwöhnt, was die Unterkunft anbelangt?«
»Ich habe die letzten drei Monate oft genug auf Heuböden geschlafen. Und davor... davor war ich im Feld. Nein, sehr verwöhnt bin ich nicht.«
»Dann wird dir die Mansardenkammer bei uns reichen. Fürs Essen sorgt Emma. Brauchst du Geld, um dir vernünftige Kleidung zu kaufen?«
»Ich habe genug,
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