Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
genügend nachgekommen zu sein. »Zudem enttäuschte es mich tief, welch betrübliche Manieren meine Nichte damit bewiesen hat. Erst drängt sie dich zur Verlobung, dann lässt sie dich bei der kleinsten Schwierigkeit fallen, und nun hat sie sich an einen – wenn auch gut aussehenden – aber nicht immer einwandfrei handelnden Mann weggeworfen. Es hat eine herbe Auseinandersetzung zwischen ihren Eltern und den Burks gegeben, aber schließlich habe ich die beiden getraut. Dorothea lebt jetzt bei Burks, angeblich ist sie bereits guter Hoffnung.«
David knirschte mit den Zähnen. Frauen waren hinterhältige, charakterlose Schlangen. Ausgerechnet Adam Burk! Der musste sich ja die Hände reiben. Es war der gelungenste Akt der Demütigung, den er ihm hatte zufügen können, nachdem er in Magdeburg Zeuge geworden war, wie David seinem Vorgesetzten und Stiefvater eine geharnischte Ohrfeige versetzt hatte. Sein hämisches Grinsen sah er jetzt noch vor sich.
Mit geballten Fäusten marschierte David in seiner Kammer auf und ab, um die Dämonen der Vergangenheit zu bändigen. Immer wieder redete er sich zu, das, was gesehen war, könne ihm nichts mehr anhaben.
Er war Zivilist, Student, Lehrling eines hervorragenden Meisters. Seine Zukunft lag in der Architektur, in den klaren Formen der Gebäude, der reinen Logik der Statik und der kühlen Sachlichkeit von Ziegel und Marmor.
Es klopfte an seiner Zimmertür, und Meister Leopold trat fast im selben Augenblick ein.
»Junge, das Abendessen wartet!«
»Entschuldigt mich heute. Ich habe keinen Appetit.«
Der Blick des Baumeisters fiel auf die beschriebenen Blätter, die auf dem Boden lagen.
»Schlechte Nachrichten, David?«
»Schlecht? Ich weiß nicht. Ärgerlich. Unnötig ärgerlich.«
»Also verletzend.«
»Ja.«
»Willst du es mir erzählen, Junge?«
Die freundliche Anteilnahme in Meister Leopolds rundem Gesicht tat David gut. Er öffnete seine Fäuste, sein Nacken entspannte sich, und es gelang ihm ein schiefes Lächeln.
»Meine ehemalige Verlobte ist mit meinem besten Feind durchgebrannt! Eigentlich sollte ich den beiden Glück wünschen. Wie es aussieht, haben sie einander verdient.«
»Schick ihnen einen versilberten Salzstreuer, damit sie sich gegenseitig das Salz in die Wunden reiben können, die sie einander vermutlich bald zufügen werden. Und jetzt komm nach unten. Emma hat Hühner gebraten.«
David folgte ihm und aß, wenn auch schweigend, sein Mahl auf. Der Baumeister erließ ihm anschließend die abendliche Lektion, und er kehrte zurück in seine Kammer.
Ein Brief lag noch ungeöffnet auf seinem Schreibtisch. Ihn zu lesen hatte er wirklich Angst. Er stammte von seinem Vater und schien sehr umfänglich zu sein. Zögernd drehte er ihn in den Händen und fragte sich, ob er es ertragen könnte, wenn Waldegg sich von ihm losgesagt hätte.
Die Nacht senkte sich schon über die Dächer, als er sich endlich aufraffte und das Siegel erbrach. Beim Schein der Lampe las er ihn langsam, und als er geendet hatte, legte er die Arme auf den Tisch, vergrub seinen Kopf darin und weinte.
Tanzstunde
Komm mit, o Schöne, komm mit mir zum Tanze;
Tanzen gehöret zum festlichen Tag.
Bist du mein Schatz nicht, so kannst du es werden,
Wirst du es nimmer, so tanzen wir doch.
Wechsellied zum Tanze, Goethe
»Chaîne de dames«, säuselte der Tanzlehrer. Antonia und Susanne wechseln die Plätze, indem sie mit zwei Schritten aufeinander zugingen. Beim dritten Schritt reichten sie einander die rechten Hände. Phillip Wittgenstein und François Joubertin gingen jeweils ihrer Tänzerin entgegen, diese reichten ihnen die linke Hand. Dazu klimperte eine gelangweilte Gouvernante auf dem Klavier in Bernsdorfs Salon eine Quadrille. Zwei unsichere Jünglinge und ein blässliches Mädchen, Verwandte der Bernsdorfs, saßen steif in der Ecke und warteten darauf, die nächsten Touren tanzen zu dürfen.
»Promenade!«
Antonia hängte sich bei François ein, und er führte sie, dem anderen Paar ausweichend, auf den gegenüberliegenden Platz.
»Kleinere Schritte, Mademoiselle, das ist eine Quadrille und kein Pferderennen«, nörgelte der Tanzlehrer und stach mit seinem dünnen Malakkastöckchen nach ihren Waden.
»Sie machen es sehr anmutig, Mademoiselle Antonia«, flüsterte François, der den störrischen Blick seiner Tanzpartnerin wohl zu deuten wusste. Monsieur Chèvrefeuille war ein penibler älterer Herr mit manieriertem Auftreten. Er trug einen silbern bestickten,
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