Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
besaß, die als Produktions- und Lagerstätten dienen konnten. Und genügend arme Schneiderlein, Tuchweber und -händler kannte, die seit der Aufhebung der Zünfte ein kärgliches Leben fristeten. Kurioserweise ebnete ihm eine fast vergessene Verbindung den Weg. Vor vielen Jahren, als er noch jung und idealistisch war, hatte er sich überreden lassen, der Kölner Freimaurerloge beizutreten. Zwar hatte er dabei ein absurdes Ritual über sich ergehen lassen müssen – in einer dunklen Kammer musste er mit verbundenen Augen irgendwelche Totenschädel betasten – aber er hatte die niederen Losungsworte erhalten, die ihm wieder einfielen, als einer der Herren in dem Salon einer prominenten Gastgeberin ihn mit dem eigenartigen Handzeichen begrüßte.
Kay Friedrich goss sich einen Cognac ein und schwenkte die goldbraune Flüssigkeit bedächtig im Glas, während er sich in die Bibliothek begab. Im Zusammenhang mit den Freimaurern war ihm noch etwas anderes eingefallen. Der Domherr Hermann Waldegg hatte in jenen Tagen bei einer der Logensitzungen diese alten Pläne des Kölner Doms den Brüdern gezeigt und damals schon für den Erhalt und Weiterbau der Kathedrale geworben. Er selbst verstand das Engagement für den verfallenen Bau nicht, doch die schrullige Saat war aufgegangen, wie er inzwischen gehört hatte. Der Enkel des alten de Tongre war ernsthaft dabei, diese Angelegenheit voranzutreiben, und stieß auf mehr und mehr Interesse. Man würde das beachten müssen. Vor allem, weil just diese Pläne, die der Domherr einst vorgeführt hatte, verschwunden waren. Den Boisserées würden sie höchst willkommen sein, vermutete Kormann. Wer sie fand, könnte nicht nur finanziell belohnt werden, sondern auch mit größter Aufmerksamkeit und Anerkennung rechnen.
Immer gewärtig, die aktuellen Strömungen zu nutzen, rechnete er sich seine Chancen aus, aus dieser Angelegenheit Profit zu schlagen. Dass er in den vergangenen Jahren als vehementer Befürworter des Abrisses der Ruine aufgetreten war, machte ihm die geringsten Sorgen. Viel interessanter war die Tatsache, dass er wusste, wo sich die eine Hälfte des großen Fassadenplans befand. Oder sich zumindest im Jahre 1794 befunden hatte. Der Riss des Nordturms war ihm nämlich in die Hände gefallen, als er im Auftrag der französischen Kunstexperten Hausmann und Jaubert die Archive und Bibliotheken der kirchlichen Einrichtungen nach wertvollen Stücken untersuchte. Er bedauerte nur, dass er vor seiner Abreise aus Paris von dieser Entwicklung keine Kenntnis hatte, sonst hätte er diesbezüglich seine Beziehungen spielen lassen können. So musste er nun einige Briefe schreiben, um den Verbleib des Pergamentes herauszufinden. Das war keine schwierige Angelegenheit, und wenn er im Besitz des Plans war, würde sich eine passende Gelegenheit ergeben, zu der man mit einigem Pomp die mittelalterliche Originalzeichnung präsentieren könnte.
Zufrieden nahm er einen Schluck von dem Cognac, der weich und wärmend durch seine Kehle floss.
Überhaupt Waldegg! Charlotte war vor einiger Zeit mit buchstäblich gesträubtem Gefieder von einem Besuch in der Nachbarschaft zurückgekommen und hatte mit glühenden Augen den mondänen Kopfputz aus Spitzen und Federn auf den Tisch geworfen.
»Stell dir vor, Frédéric, dieses Waldegg-Mädchen ist Elenas Tochter. Sie hat sie offiziell anerkannt! Ich bin sprachlos!«, hatte sie ausgerufen, dieses Versprechen aber nicht eingelöst. Empört darüber, dass ihre Freundin sie nicht ins Vertrauen gezogen hatte, räsonierte sie weiter: »Sie hatte damals gerade die Gelübde abgelegt. Was für eine heuchlerische kleine Schlampe. Die Nonne Deodata wälzt sich mit ihrem Freier im keuschen Klosterbettchen. Und mir gegenüber hat sie immer die Unschuldige gespielt. Noch schlimmer, ich musste mir die schiefen Blicke ihrer Köchin, dieser Jakoba, gefallen lassen.«
»Hatte sie Grund, dich schief anzusehen?«, wollte ihr Gatte mit sanfter Stimme wissen, inzwischen wohlinformiert über den gesellschaftlichen Hintergrund seiner Gemahlin.
»Selbstverständlich nicht. Nur weil sie auf dem Markt dummes Gerede aufgeschnappt hatte, glaubte sie, sich als Sittenrichterin aufspielen zu können. Aber von Elenas Malheurchen wusste sie ganz genau. Sie war damals sogar Taufpatin. Hah! Da verbirgt sich weit mehr dahinter. Ich werde es herausfinden.«
Kay Friedrich konnte sich zwar nicht in gleicher Weise echauffieren wie Charlotte, aber die Neuigkeit hatte einen gewissen
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