Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
andere Bein!«
Sie musterte ihn dann von oben bis unten und befahl: »Den Rock ziehen Sie am besten auch hier gleich aus. Meine Güte, haben sie sich mit den Schweinen im Koben gewälzt?«
»Nicht Schweine, Schafe.«
»Ah, auch ein feines Odeur. Nun ziehen Sie schon den Rock aus! Madame würde junge Hunde kriegen, wenn Sie so den Salon beträten.«
Er fummelte gehorsam an den Knöpfen, aber als er aufstand, um sich aus dem Kleidungsstück zu schälen, packte ihn wieder der Schwindel.
»Sie glühen vor Fieber«, stellte Antonia fest, als sie ihn stützte und ihm half, aus den Ärmeln zu kommen.
»Hab einen kleinen Unfall gehabt.«
»Sieht so aus. Oder ist es die Cholera?«
Etwas in Antonias besorgtem Ton ließ ihn aufhorchen.
»Ich bin abgeworfen worden, in einen Wassergraben. Lag wohl eine Weile drin. Und dann war da nur diese Schafhürde.«
»Unterkühlung. Nun, das heilt von alleine. Ein heißes Bad als Erstes, und dann zu Bett. Auf geht’s, wir müssen jetzt die Treppe erklimmen. Stützen Sie sich auf mich.«
»Ich bin zu schwer.«
»Können Sie auch mal etwas ohne Widerrede machen?«
»Das kann ich, wenn ich muss, sehr gut.«
»Also, jetzt müssen Sie. Legen Sie Ihren Arm um meine Schulter. Himmel, ich bin doch nicht aus Plüsch.«
Er lachte leise auf. »Nein, unter diesem hübschen Kleidchen scheint sich eine eiserne Konstruktion zu verbergen.«
Dennoch war es mühsam, ihn die Treppe hinaufzutransportieren. Antonia schnaufte ein wenig, als sie den Treppenabsatz erreicht hatten.
»Hier sieht es anders aus als früher.«
»Möglich. Wir haben hier ein modernes Badezimmer.«
Das kleine Mädchen im Zofenkleid schoss auf sie zu und zeterte: »Gnädiges Fräulein, das dürfen Sie nicht! Nächstenliebe hin, Nächstenliebe her! Er ist ein fremder Mann, ein Bettler, ein Dieb. Wer weiß, was er vorhat! Er wird uns in unseren Betten ermorden.«
»Ein Fälscher und Betrüger, wie ich hörte, aber kein Mörder. Außerdem heißt er Cornelius und ist der Patensohn des Domherrn.«
»Woher wollen Sie das wissen? Der ist ein Landstreicher, wie ich nur je einen gesehen hab. Und betrunken.«
»Er ist es, und er ist krank. Tu bitte, was ich dir aufgetragen habe, Maddy.« Es klang sanfter als all die Befehle, die sie zuvor gegeben hatte, und Cornelius sah, wie die Kleine nickte und mit einem Stapel Leintüchern verschwand.
Antonia schob ihn in das Zimmer, das er einst bewohnt hatte. Maddy hatte das Bett bereits bezogen, darum ließ er sich in den Sessel fallen und sah sich mit müden Augen um.
»Zu Hause«, murmelte er und lehnte sich mit geschlossenen Lidern zurück. Antonia ließ sich Zeit mit ihrer Antwort und sagte schließlich: »Tja, das sind Sie jetzt.«
Er erwachte aus seiner Versunkenheit und sah, wie sie Laden und Schübe öffnete und schließlich ein Nachthemd hervorholte. »Sie scheinen sich hier auch zu Hause zu fühlen. Wer sind Sie?«
»Ich heiße Antonia Helena Lindenborn-Waldegg, und man könnte behaupten, ich sei deine Schwester.«
Cornelius starrte sie fassungslos an. »Heiliger Sankt Elmo!«
»Hilft der?«
»Den Seefahrern, ja. Bist du Hermanns Tochter?«
»Madames.«
»O ja, er hat geheiratet. Gott, es ist alles so lange her.«
»Acht Jahre, nicht wahr?«
»Er hat dir von mir erzählt?«
»Natürlich. Du bist sein Sohn. Eine ziemlich missratene Rolle, die du dabei gespielt hast.«
»Behauptet er das?«
»Nein, aber ich.« Sie ging zur Tür und rief: »Maddy, ist das Wasser heiß?«
»Warm genug. Oder wollen Sie ihn kochen?«
»Wär wohl das Beste«, murmelte Antonia und machte einen Schritt auf Cornelius zu. »Deine Kleider werden wir am besten verbrennen. Es liegt noch genug Zeug von dir hier herum. Zieh dich aus.«
»Geh raus.«
»Nein. Ich helfe dir. Du siehst aus, als ob du sofort umfällst, wenn du aufstehst.« Sie griff nach seinem Hemd und begann, es aus der Hose zu ziehen.
»Lass das!«
Sie rupfte weiter an dem Leinen, und er wehrte sich. Aber seine Hände zitterten, und Fieberschauer flogen über seine heiße Haut. Sanfter bat sie ihn: »Cornelius, sei nicht so zimperlich. Arme hoch, dann ziehe ich es dir über den Kopf.«
»Ich bin nicht zimperlich. Aber es gehört sich nicht für ein Mädchen, einen Mann die Kleider vom Leib zu reißen.«
»Ich bin deine Schwester, und du bist nicht der erste Mann, dem ich dabei helfe, sich zu entkleiden.«
Wiederum wollte er sie wegschieben, aber sie grinste ihn an. »Wir können dich mitsamt den Kleidern in die Wanne
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