Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
Reiz. Man würde sehen, was sich daraus machen ließ. Mit seiner milden Nachfrage ob der schiefen Blicke hatte er seinem Weib eine kleine, aber wirkungsvolle Retourkutsche erteilt für die Nadelspitzen, die sie ihm in Paris ständig versetzt hatte. Er schätze ihre Fähigkeiten, verschwiegene Indiskretionen aufzuspüren, nicht jedoch, wenn es sich um sein eigenes, sehr taktvoll gehandhabtes Privatleben handelte. Leider hatte sie von Claudine Kenntnis erhalten und ihn, nachdem sie sich von der Geburt erholt hatte, darauf angesprochen. Er sah sich genötigt, einen aufwändigen Einkaufsbummel mit ihr zu unternehmen, um diesen kleinen Fehltritt wiedergutzumachen.
Charlotte galt nun als eine der bestangezogenen Frauen Kölns und wurde um ihren Schmuck, mit dem sie ihr liebender Ehemann überhäufte, mehr als beneidet.
Ein heißes Bad
Froh kehrt der Schiffer heim an den stillen Strom
Von fernen Inseln, wo er geerntet hat
Die Heimat, Hölderlin
Seit Jahresbeginn arbeitete Antonia an zwei Tagen in der Woche mit Susanne in dem vornehmen Ladengeschäft in der Schildergasse, wo neben den von Bernsdorf produzierten Baumwoll- und Leinenstoffen auch Accessoires aller Art verkauft wurden – Bänder, Borten, Tressen und bezogene Knöpfe aus eigener Fabrikation, zudem Fächer, Handschuhe, Täschchen, Seidenblumen, Ziertücher, Shawls und Schirme, die als unerlässlich zur Ergänzung der Garderobe galten. Die protestantischen Bernsdorfs hatten, als die Franzosen die Gewerbefreiheit einführten, zum Missfallen der alten Tuchhändler mit der Spinnerei und Weberei von Baumwolle und Leinen begonnen und waren jetzt unabhängig von den Einfuhrverbotenen für englische Waren. Ihre Musseline und Batiste waren begehrt, kam man an diese Stoffe doch sonst nur über die Schmuggler heran, was nicht ungefährlich war. Das Geschäft blühte, und man war für jede helfende Hand dankbar.
Susanne, die seit drei Jahren regelmäßig die Waren des Familienbetriebs verkaufte, hatte Antonia überredet, sich ebenfalls dieser Beschäftigung zu widmen. Sie war begeistert von der Idee, aber wie üblich musste sie Elena gegenüber Überzeugungsarbeit leisten. Erst der schlagende Hinweis darauf, dass das Verkaufen feiner Stoffe und modischer Artikel erheblich damenhafter als die Arbeit im Hospiz der bedürftigen Mütter sei, hatte den Ausschlag gegeben.
»Und bei Weitem damenhafter, als das Herumstrolchen zwischen angefaultem Kohl und wurmstichigen Äpfeln auf dem Markt«, fügte Waldegg hinzu, der am Morgen Antonia auf ihrem Beschaffungsgang begleitet hatte und deshalb bei seiner Bemerkung ein leichtes Schaudern zur Schau stellte. »Außerdem verdient sie dabei ihr eigenes Geld und muss uns nicht auf der Tasche liegen.«
»Aber Hermann, das kannst du doch nicht ernst meinen«, hatte sich Elena milde empört.
Der Domherr hatte Antonia ernsthaft betrachtet und darauf hingewiesen: »Wenn ich die Rechnungen für Putz und Kleidung sehe...«
»Pah!«, hatte Antonia nur geantwortet.
Die Wanduhr schlug sechs. Der Geschäftsführer nickte Antonia und Susanne lächelnd zu.
»Feierabend, meine Damen. Lassen Sie nur, aufräumen kann der Stift. Der hat schon den halben Nachmittag gefaulenzt. Gehen Sie nach Hause, bevor es dunkel wird.«
Die beiden Mädchen hüllten sich in ihre warmen Umhänge und traten auf die belebte Straße. Es war kühl und windig, aber die garstigen Graupelschauer des Vortags hatten sich verzogen. Vergnügt tauschten sie den Klatsch aus, den sie in den vergangenen Stunden aufgeschnappt hatten.
»Die Wisskirchen ist eine unsägliche Tratschtante«, sprudelte Susanne hervor. »Aber trää informativ!«
»Ich sah es, dir fielen förmlich die Ohren aus den Locken.«
»Sie hat neue Nachbarn – ins Haus der Hirzen ist dein besonderer Freund, der Kommissär Kormann eingezogen.«
»Oh, cher Frédéric ist zurück! Mit der lieben Charlotte. Ein Sohn und Erbe ist auch dabei?«
»Natürlich. Ich wusste, es würde dich entzücken, das zu hören.«
»Wie Schmierseife auf Graubrot. François wird ähnlich bewegt sein.«
»Sie werden einen Maiball geben. Tuut Lemonde wird kommen.«
»Ich fürchte, das trifft dann auch mich. Na, warten wir’s ab. Zumindest Charlotte wird enttäuscht sein, wenn sie von den neuesten Entwicklungen erfährt. Hoffentlich besucht sie meine Mutter an einem Tag, an dem ich anwesend sein kann. Aber ich habe ebenfalls eine Neuigkeit, Susanne. Die wird dich beglücken.«
»Wittgenstein hat sich Augusta
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