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Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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verschmutzt, seine Stiefel von Schlamm verkrustet, Stroh hing in seinen zerzausten Haaren, seine Wangen bedeckte ein stoppeliger, dunkler Bart. Ihn umgab der strenge Geruch nach Schafen und feuchter Wolle. Aber in seiner fiebrig verschwommenen Welt verfolgte er zielstrebig seinen Weg und ließ sich weder durch die Fragen der Wachen am Tor noch durch den beißenden Spott der Gassenjungen beeindrucken. Als er die Straßen Kölns betrat, wurde der Himmel wieder heller, und wenn auch mit schmerzenden Gliedern und halb benommen, so atmete er doch tief durch, als er den vertrauten Umriss des Doms vor sich sah. Nur noch wenige Schritte, und er hatte den Platz erreicht, wo er seine glücklichsten Jugendjahre verbracht hatte. Hier würde er freundlich aufgenommen werden.
    Er fand sich mit schlafwandlerischer Sicherheit in den Straßen zurecht, schließlich stand er vor der Haustür. Schwankend vor Erschöpfung stieg er ab und klopfte an.
    Die Tür öffnete sich wie von Geisterhand, wie ihm schien. Dann erst erkannte er ein kleines Mädchen in einem Zofenkleid, das ihn anherrschte: »Machen Sie, dass Sie hier wegkommen, wir geben nichts an Bettler!«
    »Verzeihen Sie, ich wollte...«
    »Verschwinden Sie! Für Sie ist niemand zu Hause!«
    Die Tür wurde ihm vor der Nase zugeknallt.

Handel und Wandel
     
    Und gleichwohl war die Frau kein Engel,
Und der Gemahl kein Heiliger;
Es hatte jedes seine Mängel.
Denn niemand ist von allen leer.
    Lessing
     
     
    Kay Friedrich Kormann schlenderte durch den geräumigen Salon und erfreute sich an dem Ausblick in den frühlingsgrünen Garten. Karl Ludwig hatte gute Arbeit geleistet. Die altersgeschwärzte Eichenverkleidung war lichten Seidentapeten gewichen, statt des verstaubten Stucks gab es an der Decke schlichte Zierleisten, obwohl der Baumeister gemurrt hatte, der ursprüngliche Zierrat sei eine kunstreiche italienische Arbeit, die es wert sei, restauriert zu werden. Die protzige Kaminumrandung mit ihren Reliefmotiven aus der Bibel war verschwunden und durch weißen Marmor mit Goldeinlagen ersetzt, ein glitzernder Kristalllüster hing von der Decke, und ähnliche Wandleuchten flankierten Türen und Fenster. Weniger gut gefielen ihm die verspielten Möbel, die geblümten Chintzbezüge und die wallenden Portieren in Pastellfarben, die seine Frau gewählt hatte. Er hätte einen schlichteren Stil bevorzugt. Aber über diese Kleinigkeit konnte er hinwegsehen, hatte sie ihm doch einen gesunden Erben geboren.
    Überhaupt war er jetzt, mit gerade vierzig Jahren, etabliert und konnte auf eine aussichtsreiche Zukunft hoffen. Die lange Reise, die er mit Charlotte unternommen hatte, hatte sich unerwartet günstig entwickelt. Sie waren noch im August des vergangenen Jahres, direkt nach der Hochzeit, nach Paris aufgebrochen, wo er aus früheren Zeiten Bekannte besaß. Sie bezogen ein idyllisches Häuschen in einem ländlichen Vorort, wo seine Gattin im November einem kräftigen Jungen das Leben schenkte. In diesen Monaten nahm sie am gesellschaftlichen Leben natürlich nicht teil, er hingegen verbrachte die meiste Zeit in der Hauptstadt, denn Charlotte war wenig unterhaltsam und recht launisch geworden.
    Die hübsche Tänzerin Claudine war bei Weitem die angenehmere Begleitung.
    Er knüpfte interessante Beziehungen, die sich in Zukunft bewähren würden. Seine Zeit als Kommissär des Wohlfahrtsbureaus betrachtete er als weitgehend abgelaufen. Seine Karriere als Geschäftsmann stand bevor. Die große Armee Napoleons brauchte Ausrüstung und Uniformen – er wusste, wer sie fertigte und lieferte. Man würde beidseitig profitieren. Denn die Gefahr eines dauerhaften Friedens bestand nun wirklich nicht. Das französische Reich hatte sich unter der Regierung des Kaisers so weit ausgedehnt, dass es immer wieder an den Grenzen brüchig wurde. In Spanien kriselte es unentwegt, die Österreicher waren unzufrieden, Russland traute niemand so recht, mit den Engländern war kein Frieden gefunden worden, und die Kontinentalsperre wirkte bei Weitem nicht so erfolgreich, wie Napoleon es sich erhoffte. Kormann nahm die verschiedensten Meinungen und Gerüchte, Spekulationen und Stimmungen auf und hatte sich ein erschöpfendes Bild von der Lage gemacht.
    Man würde Uniformen benötigen. Viele. Bald.
    Bereits von Paris aus begann er einen regen Briefwechsel mit verschiedenen Produzenten. Er hatte auch mit Lindenborn korrespondiert und ihm gezielte Anweisungen gegeben. Sein Vorteil war jetzt, dass er Immobilien

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