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Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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die Sie mit so großem Eifer suchen, beschreiben?«
    »Antonia?«
    »Ich habe eine Idee.«
    Waldegg wirkte aufgeregt, aber er nahm einen Schluck Wein und atmete tief durch.
    »Sie bestehen aus mehreren aneinandergehefteten Pergamenten und sind gut zwölf Fuß lang. Einst war es ein zusammenhängender Plan der gesamten Fassade, aber irgendwann wurde er in der Mitte geteilt, sodass jeder Turm eine eigene, knapp drei Fuß breite Bahn darstellt. Der Meister, der den Plan zeichnete, hat akribisch jede Einzelheit darauf festgehalten, was ungewöhnlich für diese Art von Plänen ist. Für die Handwerker in der Bauhütte hätten Einzelskizzen gereicht. Aber auf dem Plan ist jede Fiale, jede Krabbe, jeder Blattfries, ja sogar jeder Wasserspeier an seinem richtigen Platz gezeichnet.«
    Antonia schüttelte den Kopf und fragte erstaunt: »So groß ist er? Den kann man ja noch nicht einmal in diesem Raum hier aufhängen.«
    »Aufgehängt wurde er nur selten. Wohl nur dann, wenn es darum ging, irgendwelche Gönner und Förderer zu beeindrucken. Ansonsten wurden die Pläne in zwei Lederrollen aufbewahrt.«
    »Dunkelbraun, mit zwei Schnallen verschlossen.« Sie nickte bedächtig. »Herr Vater, ich glaube, ich habe zumindest einen dieser Pläne in der Hand gehabt.«
    »Was erzählst du da, Kind?« Waldegg war aufgefahren und schnappte nach Luft.
    »In Altenkleusheim. In der Köhlerhütte. Diese Rolle befand sich in derselben Truhe wie die Handschriften. Ich war enttäuscht, weil es nur eine Zeichnung in bräunlicher Tinte war. Von einem Kirchturm.«
    »Das war der... Maria, hilf!« Mit einem dumpfen Poltern brach der Domherr über dem Tisch zusammen. David, der neben ihm saß, fing ihn auf, Cornelius war sofort bei ihm und suchte in seiner Rocktasche nach der Phiole. Antonia war weiß wie ein Leintuch geworden und fühlte sich wie gelähmt. Elena aber begann, hoch und schrill zu schreien.
    »Auf das Kanapee!«, befahl Cornelius, der das Glasfläschchen öffnete. David gelang es mit einer gewaltigen Anstrengung, den leblosen Mann auf das Polstermöbel zu legen. Endlich konnte sich Antonia auch wieder bewegen und eilte herbei, um ihm Kissen in den Rücken zu stopfen. Doch als sie seine Schultern anhob, wurde ihr klar, dass keine Maßnahme mehr helfen konnte. Sie kniete nieder und legte ihren Kopf an seine Brust.
    Sein Herz hatte aufgehört zu schlagen.
    »Vater«, flüsterte sie. »Mein Vater!«
    Auch David kniete sich neben sie, stumm und mit blassem Gesicht. Er nahm die Hand seines Vaters und beugte den Kopf. Cornelius legte das Medikamentenfläschchen beiseite und senkte ebenfalls still den Kopf.
    Nur Elena schrie unvermindert weiter.
    Jakoba, Maddy, Linda und Johann waren in den Salon gekommen, und Linda versuchte, ihre Herrin zu beruhigen. Aber ihre sanften Worte zeigten keine Wirkung. Im Gegenteil, Elena riss sich von ihr los und stürzte sich auf Antonia.
    »Du hast ihn umgebracht! Du hast ihn getötet! Du hast ihn aufgeregt. Du mit den verfluchten Plänen!«
    Wie von weither drangen diese Worte in Antonias Denken. Sie schüttelte die zerrenden Hände ab und starrte ihre Mutter verständnislos an.
    »Mörderin. Deine Schuld! Deine Schuld!«, schrie Elena, vollkommen hysterisch jetzt, weiter. Wie in Zeitlupe schien es, hob Antonia ihre Hand und versetzte der aufgelösten Frau eine schallende Ohrfeige. Elena taumelte zurück, verstummte aber endlich.
    »Ja, ich bin schuld«, stellte Antonia ruhig fest und kniete wieder neben dem Domherrn nieder. »Verzeih, Vater.«
    Eine Hand legte sich auf ihre Schulter, und Cornelius sagte mit sanfter Stimme: »Nein, es ist nicht deine Schuld. Sein Herz war krank, und seine Zeit abgelaufen. Eher, Toni, hast du sein Leben noch um einige schöne Monate verlängert.«
    Sie trugen ihn zwei Tage später zu Grabe. Der Domherr fand unter den alten Bäumen zwischen den bemoosten Gedenksteinen im Schatten der Kathedrale seine letzte Ruhe.
    Es waren unzählige Trauergäste gekommen, Hermann Waldegg hatte zwar kein aufregendes Gesellschaftsleben geführt, aber er war mit vielen gebildeten Männern bekannt, war von ihnen geschätzt und geachtet worden. Sie versammelten sich zur Totenmesse im Dom und gaben ihm das letzte Geleit hin zu dem stillen Friedhof. Stumm, einen schwarzen Schleier über dem Kopf, folgte Antonia zwischen David und Cornelius dem Sarg. Elena war zu krank, um der Bestattung beiwohnen zu können. Der Geistlich fand bewegende Worte, doch die waren, wie fast alles in den beiden vergangenen

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