Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
Abwechslung zu Brunnenwasser und auf dem Lagerfeuer gebrühtem Kaffee!
»Verzeihen Sie, ich war in Gedanken bereits vorausgaloppiert. Wir müssen taktisch klug vorgehen und die Lage sondieren. Da das Unternehmen einige Zeit kosten könnte, müssen wir als Erstes ein anständiges, aber bezahlbares Quartier für Sie finden. Außerdem werde ich Termine für Sie ausmachen. Aber ein Ziel können wir besonders anvisieren, meine Liebe. Unser großherzoglicher Landesherr gibt in zwei Wochen einen Sommernachtsball, zu dem ich Ihnen eine Einladung beschaffen werde. Wobei sich die Frage aufwirft...« Er wirkte plötzlich verunsichert, fing sich aber gleich wieder und erklärte: »Äh, wissen Sie, ich war zwanzig Jahre sehr glücklich verheiratet. Leider verstarb meine Frau vor vier Jahren, aber ich habe in Erinnerung, dass derartige Veranstaltungen immer äußerste Ansprüche an die weibliche Garderobe stellten.«
»Keine Sorge, Herr General. Ich werde in standesgemäßer Montierung zum Appell antreten«, antwortete Antonia grinsend, da sie sich die ganze Zeit über die immer militärischer werdenden Formulierungen amüsierte.
Der General stutze und brach dann in lautes Lachen aus.
»Da haben Sie mich, Mädchen! Die feine Decke ist weg, und der alte Militärgaul bricht durch.«
»Ist doch bei mir nicht anders, Herr General.«
»Doch, meine Liebe, doch. Im Vergleich zu mir sind sie ein feuriges Araberfüllen. Lassen Sie mir zwei Tage Zeit, um einige Fäden zu ziehen, dann...«
»...haben Sie einen fertigen Schlachtplan. Gut, ich bin Ihnen überaus dankbar. Ich werde also einen langen Brief schreiben und dann eine Schneiderin zwecks Anfertigung einer passenden Garderobe aufsuchen. Beides Beschäftigungen, die einer jungen Dame wie mir natürlich mehr anstehen, als mit einem Pferdchen und einem Planwägelchen durch die Lande zu ziehen und über dem Lagerfeuer geklaute Forellen zu grillen.«
»Wollen Sie damit andeuten, Sie hätten auch das getan?«
»Ja, was meinen Sie denn, auf welche Weise ich nach Darmstadt gereist bin?«
Sein dröhnendes Lachen veranlasste die anderen Gäste, sich überrascht umzudrehen. »Mein Gott, Mädchen, Sie sind eine Rübe!«
»Zuckerrübe!«
»Ohne Zweifel. Ich werde mich am Dienstagvormittag hier im Hotel melden.«
»Danke, Herr General«, sagte Antonia, als sie aufstand. Er erhob sich ebenfalls und zog galant ihre Hand an seine Lippen.
»Keine Brüder, die sind in Paris, beschützen den Kaiser. Aber ein General zu meinen Füßen«, war Antonias knappe Zusammenfassung Maddy gegenüber.
»Besser ein General als zwei Chevauxlégères.«
»Da hast du Recht.«
Pünktlich um zehn am Dienstag ließ sich der General bei Antonia melden. Er nickte beifällig, als sie mit Maddy zu ihm in die Hotelhalle kam, und nahm den dicken Umschlag entgegen, in dem viele beschriebene Seiten steckten.
»Es geht wöchentlich ein Militärkurier nach Paris, ihm wird dieses Schreiben mitgegeben. Sie können ganz sicher sein, binnen einer Woche werden Ihre Brüder den Brief erhalten. Und nun zu der Unterkunft.«
Der General hatte ganze Arbeit geleistet. Er hatte eine ansprechende Pension gefunden, die kaum ein Viertel von dem kostete, was der Wirt der »Traube« verlangte. Sodann hatte der General eine Liste von Leuten angelegt, die in Sachen Dompläne anzusprechen waren.
»Der Archivar Dupuis ist bedauerlicherweise verstorben. Aber er hat einen Nachfolger, der sich angeblich bestens in den Beständen auskennt. Das Antiquariat Hintzen gibt es noch am bekannten Ort. Nun, und dann habe ich es geregelt, dass Sie als meine Begleiterin den Sommerball in der Residenz besuchen können. Ich werde Sie am einundzwanzigsten gegen acht abholen, wenn Sie damit einverstanden sind.«
»Wunderbar, Herr General.«
»Zudem habe ich hier – ahm – ich weiß, es ist eine Freiheit, die ich mir herausnehme, aber ich habe hier zwei Karten für das Theater. Am Sonntag. Man gibt ein Stück von Molière. Wäre es sehr vermessen, Sie zu bitten, mich zu begleiten?«
»Es wäre mir sogar ein Vergnügen, Herr General.«
Doch so hilfsbereit der General auch war, die Suche nach dem verschwundenen Plan verlief erfolglos. Hintzen, noch schrulliger als vor Jahren, erinnerte sich zwar an Antonia, hatte aber nie eine gotische Architekturzeichnung in Händen gehalten. Sie glaubte ihm, denn obwohl er ein wunderlicher Kauz war, seine Ware kannte er.
Der Archivar, sehr beflissen, da der Großherzog selbst ihn gebeten hatte, der jungen Dame
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