Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
neugierige Frage beantwortete Susanne mit leicht zusammengezogenen Brauen. »Wir sind erst drei Monate verheiratet.«
»Aber du wirkst ein bisschen blass, Liebes...?« »Es ist warm hier.« Sie lenkte die Unterhaltung auf andere Themen, und als die Tänze mit einer Polonaise eröffnet wurden, erschien ihr Gatte tatsächlich, um sie in die Reihen zu führen. Seine schlechte Laune schien verflogen, und er lächelte sie und die anderen Damen freundlich an. François Joubertin bat sie um den nächsten Tanz, die Quadrille.
»Soll man es für möglich halten, sie haben den parfümierten Ziegenbock zum Tanzmeister bestellt«, flüsterte er ihr ins Ohr, und erstmals klang ihr Lachen wirklich vergnügt. Als die Tanzpause angekündigt wurde, nahm er sie zart am Ellenbogen und meinte: »Sie brauchen eine Erfrischung, Frau Wittgenstein. Darf ich Ihnen ein Glas Champagner oder Bowle holen?«
»Ja, danke, etwas Bowle. Aber ich möchte mich einen Moment setzen.«
Er führte sie in eine ruhigere Ecke und kam kurz darauf mit einem Glas Bowle für sie zurück. Durstig trank sie.
»Und, wie behagt Ihnen Ihre neue Stelle, Monsieur Joubertin?«
»Der Richter saugt mir das Mark aus den Knochen, aber es ist lehrreich. Und wie behagt Ihnen Ihre neue Stelle, Madame?«
Susanne kicherte. »Oh, mir saugt sie ebenfalls das Mark aus den Knochen. Lehrreich ist es auch. Ich weiß jetzt endlich, wie viele Laken und Betttücher wir haben, wie man ein Menü für zwanzig Personen zusammenstellt und wie oft das Zimmermädchen mit dem Kutscher in den Ställen verschwindet.«
»Brillant!«
»Ach ja, und welchen Schmuck ich zu welchem Anlass anzulegen habe, dafür sorgt meine Kammerfrau. Im Vertrauen – sie ist ein Ekel!«
»Werfen Sie sie raus.«
»Geht nicht, sie wurde mir von meiner Schwiegermutter empfohlen. Vermutlich, um mich zu bespitzeln. Oh, wer ist die Galeone unter vollen Segeln, die dort im Kielwasser von Cornelius Waldegg einläuft?«
Die eintreffende Dame hatte viel von einer Galionsfigur, der glänzende, cremeweiße Satin spannte sich schimmernd über einem vollen Busen, ausladende Hüften wogten unter dem anschmiegsam fallenden Stoff ihrer Robe, und der Eindruck, sie trüge unter diesem modischen Gewand wenig oder sogar nichts, drängte sich Susanne auf.
»Melanie van ter Sandt. Seit einem Jahr verwitwet. Sie geht jetzt wieder auf Gesellschaften.«
»Ich erinnere mich. Sie war mit einem Papierfabrikanten verheiratet. Er war recht betagt, glaube ich. Jetzt hat sie sich einen jungen Verleger gekapert.«
»Sie ist auf Kaperfahrt, das mag stimmen, aber ob sie Waldegg erobert, wird man sehen.«
Derzeit schien sie keinen Erfolg zu haben, Cornelius wandte sich an zwei Herren, mit denen er plauderte, und sie ließ sich von einem grauhaarigen Herrn zu einem Sessel führen.
»Ah, und Ihr ehemaliger Vorgesetzter vergnügt sich auch auf diesem Ball.« Susanne wies auf Kormann, der seine prunkvoll gewandete Gattin am Arm führte.
»Er macht offenbar gute Geschäfte. Er gehört zu den Mitbegründern der Société.«
»Und hat für Cornelius Waldegg nur ein äußerst kühles Nicken übrig.«
François nickte versonnen. Er erinnerte sich gut, warum. Susanne gegenüber aber meinte er nur: »Er hat sich mit dem Domherrn nicht besonders gut verstanden.«
Joubertin blieb noch eine Weile bei ihr, dann ergriffen die Musiker wieder ihre Instrumente, und sie wurde von dem Oberst, der Philipps Missfallen erregt hatte, zum Walzer aufgefordert. Ihr Gatte gesellte sich zu ihr, als sie zum Buffet schritt, und machte ihr deshalb eine leise, heftige Szene. Sie verdarb ihr den Appetit. Statt zu essen, bediente sie sich großzügig aus dem Bowlengefäß und suchte mit ihrem Glas eine Fensternische auf.
»Madame Wittgenstein, was ist passiert?« Cornelius hatte sie beobachtet und war zu ihr getreten.
»Nichts. Hüps!«
Er nahm ihr das Glas aus der Hand. »Die ist stärker, als sie schmeckt. Seien Sie vorsichtig damit.«
»Wollen Sie mir vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe?«
»Nein, ich möchte Sie nur warnen. Ich hole Ihnen eine Limonade.«
»Ich will... hüps... keine Limonade. Ich will mich betrinken, verdammt noch mal!«
Cornelius gab ihr das Glas zurück. »Nur zu. Aber ich rufe schon einmal eine Sänfte, Madame. Eine Dame von Welt besäuft sich nicht in der Öffentlichkeit. Ihr Boudoir dürfte der geeignetere Ort dafür sein.«
»Hör auf, mich zu verspotten, Cornelius«, murmelte sie und legte plötzlich den Kopf an die kalte
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