Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
Danach meldete sich in Maddy die Zofe wieder zurück.
»Toni, wir wollen doch einige Zeit in Darmstadt bleiben, nicht wahr?«
»Ja, einige Wochen. Es kommt darauf an, was sich ergibt.«
»Wieder als das gnädige Fräulein?«
»Zunächst ja.«
»Das wird schwierig, Toni.«
»Du meinst, weil ich völlig verbauert bin? Keine Sorge, ich werde das gute Benehmen wieder aus der Truhe fischen.«
»Das kannst du an- und ablegen, wie’s beliebt. Aber deine Haut nicht.«
»Was ist, um Himmels willen, falsch an meiner Haut?«
»Sie ist braun.«
Antonia lachte auf. »O ja, ganz undamenhaft. Wie dumm, dass ich beim Hühnerrupfen keinen Sonnenschirm aufgespannt habe.«
Aber Maddy blieb ernst. »Du kannst darüber spotten, Toni, aber stell dir mal vor, wie du derzeit in einem dekolletierten, kurzärmeligen Kleid aussehen würdest.«
Das ernüchterte Antonia allerdings sofort. Sie hatte sich, wenn es warm war, nur im Hemd im Freien aufgehalten. Ihr Gesicht, der V-förmige Kragenausschnitt und die Unterarme waren gebräunt, der Rest war hell geblieben. In einem Kleid würde sie mehr als kurios wirken.
»Gütige Sankt Ursula, was für ein Bild! Was sagt die Zofenkunst dazu? Gibt es nicht irgendwelche Bleichwässerchen oder so etwas?«
»Bei milder Sonnenbräune kann man es mit hellem Puder richten, aber nicht, wenn jemand so zur Haselnuss geworden ist wie du. Wir werden irgendwo eine Zeit in einem finsteren Keller verbringen müssen, bis das verblasst ist.«
»O nein.« Die Vorstellung machte Antonia schaudern. Das Leben im Freien war ihr wichtig geworden. »Nein, Maddy, wir machen es anders. Oder, zumindest ich mache es, du brauchst ja nicht in ausgeschnittenen Gewändern herumzulaufen. Ich werde dafür sorgen, dass auch das Dekolleté und die Arme dieselbe Farbe annehmen wie mein Gesicht. Sollte es sich als nötig erweisen, sprechen wir von einer peinlichen Hautkrankheit oder dem Erbe meines südländischen Vaters.«
Maddy bedachte das und nickte. »Könnte gehen. Aber du kannst schwerlich ohne Hemd den Wagen lenken.«
»Nein. Aber das Wetter scheint sonnig zu bleiben, darum suchen wir uns eine einsame Stelle, und ich nehme Luftbäder. Ich hörte, sie sollen sehr gesundheitsfördernd sein.«
Anfang Juni betrat Fräulein Lindenborn-Waldegg mit ihrer Zofe das Hotel »Zur Traube«, wo sie schriftlich ein Zimmer bestellt hatte. Maddy seufzte zufrieden, als sie die glatten Leinenlaken, die weichen Daunenkissen, die gediegene Einrichtung und die sauberen Waschgelegenheiten sah. Mochte das Leben auf den Straßen auch seine Reize haben, sie war ein Stadtkind, das die Annehmlichkeiten der Zivilisation weit höher schätzte als ihre Herrin.
Als sie sich eingerichtet hatten, erkundigte sich Antonia bei dem Hausdiener nach der Kommandantur. Dorthin führte sie am nächsten Vormittag ihr erster Weg.
Sie fand, dank ihrer Kenntnis darüber, wie militärische Verwaltung organisiert war, schnell heraus, wer der derzeitige Kommandant der Chevauxlégères war, bei denen Jupp und Franz gedient hatten. General von Petershayn erhielt noch am selben Tag ein Billet von ihr, das sie als Antonia Dahmen unterzeichnete, und in dem sie förmlich um ein Gespräch bat. Sie erhielt die Antwort, der Herr General sei bereit, sich am Nachmittag des kommenden Samstags mit ihr in der »Traube« zu treffen. In den drei Tagen, die es bis dahin abzuwarten galt, bestand Maddy darauf, ihr einziges gutes Kleid aufzuputzen, denn sie hatten wenig gesellschaftsfähige Kleidung mitgenommen.
General von Petershayn war ein untersetzter Herr um die fünfzig, der in seiner Uniform einen straffen und kompetenten Eindruck machte und liebenswürdige Manieren an den Tag legte. Im Teesalon des Hotels erzählte ihm Antonia wieder einmal ihre Geschichte, diesmal mit Betonung auf ihre Verbindung zu den Zwillingen.
»Mein wertes Fräulein Dahmen, oder wohl besser: Waldegg, nicht wahr? Was für eine unglaubliche Geschichte!«
»Sie glauben mir nicht?«
»Meine Liebe, ich war in Jena dabei. Ich habe dasselbe gesehen wie Sie. Natürlich glaube ich Ihnen. Ich sollte das Wort faszinierend verwenden. Aber zu meinem Bedauern muss ich Ihnen mitteilen, dass sich die beiden jungen Herren nicht mehr unter meinem Kommando befinden.«
»Ist ihnen etwas passiert?«
»So könnte man es ausdrücken. Doch erregen Sie sich bitte nicht, beide waren bester Gesundheit, als sie uns verließen. Ja, ich würde sogar annehmen, es geht ihnen jetzt besser als je zuvor in ihrem Leben. Ich
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