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Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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einfachen Haus. Was uns jedoch angenehm überraschte, war das Essen, das man uns anbot, nicht wahr, Papa? Wir hatten einen kleinen Raum für uns, und die Wirtin, eine junge Frau mit erstaunlich guten Manieren und gewählter Sprache, servierte uns zwar schlichte, doch wohlschmeckende Kost. Sie war ein eigenartiges Geschöpf. In der Schankstube tanzte sie mit den Gästen, als zwei Musikanten aufspielten, aber am nächsten Morgen sahen wir sie in Männerkleidung im Hof, wo sie in derbem Tonfall einen Postkutscher zurechtwies.« Sie kicherte leise. »Es war sehr blumig, was sie ihm an den Kopf warf. Sie nannte ihn den vertrockneten Balg eines mottenzerfressenen Schimpansen und verglich seine Fahrkünste mit denen eines rülpsenden Bierkutschers. Was den Nagel auf den Kopf traf. Danach schwang sie sich wie ein Mann auf ein Pferd und ritt davon.«
    »Ein Pferd, das dem eines der Straßenräuber sehr ähnlich war«, knurrte ihr Vater. »Kenn mich aus mit den Rössern.«
    »Ähnlich vielleicht! Sie war am Nachmittag zurück, und da Papa sich mit dem Wagner und dem Kutscher in der Werkstatt aufhielt, hatte ich Muße, mit ihr einige Worte zu wechseln. Sie interessierte mich, wissen Sie. Sie behauptete, sie habe nur zufällig die Stelle als Köchin angenommen, sei ansonsten aber als Bandkrämerin unterwegs. Ich glaubte ihr nicht so recht, und es kam heraus, dass sie hier in Köln in einem vornehmen Putzmachergeschäft gearbeitet hat.«
    »Tatsächlich?« Ihre Gastgeberin hing förmlich an ihren Lippen, darum fuhr sie lächelnd fort: »Nun, ich erzählte ihr von dem Überfall, und sie wurde sehr ernst. Sie hatte auch schon von Übergriffen auf Reisende gehört.«
    »Nicht nur gehört«, warf Jonathan Geißler ein. »Wetten?«
    »Ach, Papa, diese Toni war eine grundanständige Frau. Sie hat sogar der winzigen Gehilfin aufgetragen, sich um meine zerrissene Pelerine zu kümmern und hat kein Geld dafür genommen.« Während sie sich ereiferte, entging ihr der Blick, den ihre Gastgeber miteinander tauschten. »Nun, jedenfalls bejammerte ich den Verlust des Rings, und als wir am nächsten Morgen aufbrachen, kam sie zur Kutsche, drückte mir ein Tüchlein in die Hand und meinte: ›Grüßen Sie mir François Joubertin, wenn sie ihn treffen.‹ Darauf konnte ich mir zwar keinen Reim machen, aber als ich das Tuch entfaltete, fiel mir der Ring mit der Perle entgegen.«
    »Aus diesem und keinem anderen Grund habe ich den Polizeibehörden Anzeige gegen sie und ihre Spießgesellen erstattet. Selbst wenn sie nicht an dem Überfall beteiligt war, ist sie sicher eine Hehlerin. Über ihre Unschuld, so sie existiert, wird der Richter befinden! Ich habe etwas dagegen, dass derartiges Gelichter frei herumläuft.«
    »Da haben Sie vollkommen Recht, Herr Geißler. Schlimm genug, dass junge Frauen von Benehmen so tief sinken können«, pflichtete ihm Kormann bei. »Ich weiß nicht, wie die Ordnungshüter jenseits des Rheines arbeiten, aber ich bin lange Zeit Schöffe am hiesigen Kriminalgericht gewesen. Hier geht man mit aller Härte gegen diesen Abschaum vor. Fräulein Geißler, es mag eine hübsche weibliche Regung sein, aber entwickeln Sie nicht zu viel Mitgefühl mit derartigen Geschöpfen. Wer mit schlechtem Blut geboren ist, wird immer den Weg des Unrechts einschlagen.«
    Jonathan Geißler stimmte dem unumwunden zu, die beiden Damen aber hatten Mühe, ihre Zungen zu hüten, wenn auch aus sehr unterschiedlichen Gründen. Beide waren froh, als man sich unverfänglicheren Themen zuwandte. Erst beim Abschied kam Marianne Geißler noch einmal auf den Vorfall zu sprechen. Sie fragte: »Sagen Sie, Frau Kormann, kennen Sie zufällig einen François Joubertin?«
    »Zufällig ja. Er war ein kleiner Angestellter im Wohltätigkeitsbureau, als mein Gatte die Stellung des Kommissärs dort innehatte. Sie wissen, diese Institution ist für die Armenpflege in der Stadt zuständig.«
    »Danke. Wenn die Zeit es gestattet, werde ich ihn aufsuchen und die Grüße ausrichten. Vielleicht ist er ein Freund jener jungen Frau, die ich für unschuldig halte.«
    »Tun Sie, was Sie müssen, Fräulein Geißler. Und nun hoffe ich, Sie beehren uns am Samstag bei unserer kleinen Soiree musicale.«
     
    Als Vater und Tochter Geißler gegangen waren, sahen sich Charlotte und Kay Friedrich Kormann mit verständnisinnigem Blick an.
    »Was denkst du, Frédéric?«
    »In Jungenkleidung, mit einem Mundwerk wie eine Rattenfalle. Diese Antonia, spricht sie auch

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