Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
Hände. Dann nahm sie zwei Henkelbecher von ihren Haken und füllte sie mit dem warmen, gewürzten Wein, der in einer Kupferkanne auf dem Kaminsims stand.
»Danke«, sagte Xavier, nahm einen Schluck und sah sie freundlich über den Rand seines Bechers an. »Wie kommst du hierher?«
»Ein Notfall – die Köchin verließ unter Protest das Haus, als wir hier vorbeikamen. Ich übernahm ihre Stelle. Es ist nicht schlecht zum Überwintern. Im Frühling ziehen wir weiter.«
»Und verkauft Bänder und Tressen.«
»Meine Vorräte hast du also auch durchgewühlt?«
»Nein, das hat mir Maddy erzählt.«
Antonia nickte zufrieden. Sie hatten miteinander abgesprochen, sich bei allzu neugierigen Fragen als Bandkrämerinnen auszugeben, die von Köln nach Darmstadt gezogen waren und sich nach dem Winter wieder auf den Rückweg machen wollten.
»Sie hat dir das Hemd geflickt und neue Knöpfe an den Rock genäht, wie ich bemerkt habe.«
»Für einen räuberischen Preis. Sie stammt aus Köln, nicht wahr?«
»Hat sie dir das erzählt?«
»Ja. Und dass sie Zofe in einem – äh – unterhaltsamen Haus war. Und«, plötzlich waren seine braunen Augen kalt und hart, »dass sie den Mann kennt, der uns damals an die Revolutionskommissäre verraten hat.«
»Holla!« Antonia war jetzt wirklich überrascht. »Du hast ihr deine Geschichte also auch erzählt?«
»Nein, aber sie erwähnte ihn. In Verbindung mit Schmuggelware.« Xavier grinste breit, und Antonia deutete es so, dass er ihnen unterstellte, einen schwunghaften Handel mit Konterbande betrieben zu haben und daher die heimischen Gefilde für geraume Zeit verlassen mussten. Sie korrigierte ihn nicht.
»Wer soll der Mann gewesen sein?«
»Ein Frédéric Kormann, der sich jetzt eine hohe Position in der französischen Verwaltung ergattert hat. Hat sich für ihn gelohnt, die kleine Posse mit meiner Herrschaft.«
Antonia drehte sich zum Kamin um und schürte das Feuer, damit Xavier nicht ihren fassungslosen Ausdruck sah. Einigermaßen nüchtern erklärte sie: »Ach, der. Ja, er leitete das Wohlfahrtsbureau. Xavier, lass die Finger von Maddy!«
»Warum, Toni? Sie ist alt genug, um ihre eigenen Entscheidungen zu fällen.«
»Du wirst ihr Ärger machen.«
»Ich werde ihr Freude bereiten, wenn sie es zulässt, mhm?«
»Ich halte das nicht für eine gute Idee.«
»Weil ich eine schwarze Haut habe?«
»Nein, weil deine Seele schwarz ist.«
»Du schließt vom Äußeren aufs Innere.«
»Ich schließe von der Handlung auf den Charakter.«
»Ich habe versucht, es dir zu erklären.«
»Ja, das hast du versucht.«
»Wenn ich dich kriegen könnte, Toni, wärst du mir dreimal so lieb wie die Zwergin. Aber an dich kommt kein Mann heran. Weder weiß noch schwarz, weder gut noch böse.«
Damit ging er aus dem Raum.
Am Weihnachtstag hing ein Silberkettchen um Maddys Hals, und manche Nacht verbrachte die kleine Zofe nicht in ihrem Bett. Einmal versuchte Antonia ihre Freundin vorsichtig zu warnen, aber ihre Worte drangen nicht zu ihr durch. Maddy war verliebt und wirkte meist, als sei sie nicht von dieser Welt. Ihre ganze weltkluge, oft zynische Art war wie weggeschmolzen. Zwar arbeitete sie fleißig und zuverlässig in der Küche und im Schankraum, aber jede freie Minute vertändelte sie mit Xavier.
Über den Jahreswechsel von 1809 zu 1810 gab es eine Woche heftigsten Schneefall, und sie waren auf Tage eingeschneit, weswegen kein Fremder an die Tür klopfte. Dann aber wurden die Wege wieder einigermaßen passierbar, und als sie an einem sonnigen, wenn auch frostigen Nachmittag Ende Februar einen Ausritt zu den benachbarten Bauerhöfen machen wollte, musste sie feststellen, dass das Pferdchen nicht im Stall stand. Der Bärenwirt sah sie betreten an, als sie ihn zur Rede stellte.
»Der Breloer hat es ausgeliehen.«
»Herbert, es ist mein Pferd. Du hast ihm nicht zu erlauben, damit auszureiten!«
»Er kommt ja morgen wieder. Ich werde ihm empfehlen, er soll dir die Miete dafür zahlen, ja?«
»Damit ist es nicht getan. Ich habe etwas dagegen, wenn andere über mein Eigentum verfügen.«
»Ich dachte, wenn Maddy es weiß, ist es in Ordnung.«
Antonia knirschte mit den Zähnen. So lief das also jetzt. Die Angelegenheit fing an, ihr immer weniger zu gefallen. Als die vier am nächsten Tag wieder auftauchten – sie hatte nicht mitbekommen, wann sie überhaupt zurückgekommen waren – stellte sie den Breloer zur Rede.
»Reg dich ab, Toni. Wir haben nur ein paar Vorräte
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