Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
schrieb er, erhielt aber nur die kurze, besorgniserregende Mitteilung, Antonia sei noch nicht in Paris eingetroffen.
Um sein Pferd nicht zu Schanden zu reiten, musste er über Nacht eine Rast einlegen, aber am nächsten Tag um die Mittagszeit erreichte er den »Tanzenden Bären«.
Die Erste, die er erblickte, war Maddy, die ein Schaff Wasser vor dem Haus entleerte. Sie sah ihn an, als sei ihr ein Geist erschienen.
»Herr Waldegg!«
Er packte die kleine Zofe an der Schulter und fragte barsch: »Wo ist Antonia?«
»Gendarme. Sie haben sie verhaftet«, antwortete sie mit zitternder Stimme.
»Warum du hast nichts getan, um ihr zu helfen?«
Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und unter Schniefen und Stammeln jammerte sie: »Was hätte ich denn tun können, Herr? Sie hätten mich auch verhaftet!«
»Mir schreiben, du Hohlkopf!«
»Kann doch nicht schreiben.«
»Herrgott, dann hätte es ein anderer für dich tun müssen!«
Sie schluchzte weiter, und der Bärenwirt trat aus der Tür. Der bullige Mann kam Cornelius gerade recht. An dem kleinen Weibchen konnte er seinen Zorn nicht auslassen, aber mit dem Wirt hatte er ein Huhn zu rupfen. Er tat es gründlich, und als er mit ihm fertig war, wusste er von Nick und dem Brecher, die beide in den Tiefen des Westerwalds verschwunden waren. Er konnte sich ein ziemlich gutes Bild davon machen, was für ein Geschäft die vier Spießgesellen betrieben. Die Rolle des Wirts war dabei ebenfalls deutlich geworden, und seine leisen, aber nachdrücklich geäußerten Drohungen zum Thema Hehlerei und Schmuggel ließen diesen mit weichen Knien auf einen Schürreskarren sinken. Er war raue, polternde Fuhrleute gewöhnt, nicht vornehme Herren, die Beziehungen hatten und die obendrein auch noch kräftig waren. Schon gar nicht solche, in deren Augen eiskalte Wut geschrieben stand. Um dem zu entgehen, was diese Augen versprachen, stimmte er zu, am nächsten Morgen pünktlich um zehn Uhr bei der Polizeibehörde vorstellig zu werden und Antonias guten Leumund zu bestätigen.
Cornelius ließ ihn sitzen und schnappte sich die Zofe wieder, die fassungslos danebengestanden hatte, als er ihren Arbeitgeber am Kragen gepackt und so lange bedroht und geschüttelt hatte, bis der mit der Wahrheit herausgerückt war.
»Maddy, pack deine und Tonis Sachen. Kommst du mit dem Wagen alleine zurecht?«
»Ich weiß nicht. Ja, ich versuche es!«
An diesem Abend konnte er nicht mehr viel für Antonia tun, doch als er im Bett lag, wanderten seine Gedanken zu ihr. Noch nie in seinem Leben hatte ihn das Schicksal eines anderen Menschen derart berührt. Als er jung war, musste er gegen die Verachtung seines Vaters kämpfen, und darum hatte er sich schon in frühen Jahren eine unerträgliche Arroganz zugelegt, die Mitgefühl für andere ausschloss. Als er selbst dann aber Hilfe und Freundschaft erfuhr, hatte das eine tiefere Wandlung bei ihm verursacht als alle Predigten und Strafen zuvor. Nur zu gut konnte er sich vorstellen, wie sich Antonia fühlen musste. Eingesperrt in einen hässlichen, kalten, dreckigen Raum, in dem es keine erkennbaren sanitären Einrichtungen gab, geschweige denn Möglichkeiten, sich zu waschen. Er kannte sowohl ihre Freiheitsliebe als auch ihren Hang zur Reinlichkeit. Das Essen würde grauenerregend sein, die Gesellschaft desgleichen. Er hoffte nur, man würde sie nicht misshandeln. Als er daran dachte, welchen weiteren Bedrohungen jungen Frauen unter diesen Umständen ausgeliefert waren, kochte eine glühende Welle des Zorns in seiner Kehle hoch, und er hätte am liebsten aufgeschrien.
In dieser Stimmung suchte er am Morgen die Polizeibehörde auf, wies sich als Antonias Vormund und Bruder aus und forderte ihre umgehende Freilassung. Man verweigerte ihm selbstredend diesen Wunsch. Seine Aussage, es handele sich bei der Verdächtigen um eine junge Dame aus guter Familie, die lediglich ein tollkühnes Abenteuer gesucht hatte, erschien den Beamten geradezu lachhaft. Cornelius verwies auf den Bärenwirt, und man stimmte insoweit zu, dass dessen Angaben noch einmal geprüft werden sollten.
Doch wer nicht erschien, war der Wirt.
»Das spricht seine eigene Sprache. Suchen Sie ihn! Er ist der Hehler dieser Bande, nicht Fräulein Lindenborn-Waldegg.«
Der Polizeikommissär wurde nachdenklich, während Cornelius eindringlich und unablässig auf ihn einredete.
»Jonathan Geißler wird in Kürze eintreffen und seine Anklage gegen meine Schwester zurückziehen.«
»Herr Waldegg, dann
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