Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
Stücke teilte, war Xavier zu ihr gekommen.
»Was willst du?«
»Wärme. Der Küchenkamin heizt besser als die Kohlepfanne in unserem Zimmer. Und nette Gesellschaft.«
»Ich bin nicht nett.«
»Ich weiß. Aber du bist geschickt mit dem Messer, Toni.«
Sie schenkte ihm einen kühlen Blick, erlaubte ihm jedoch, neben dem Feuer Platz zu nehmen. Es war eine Gelegenheit, hoffte sie, etwas mehr über ihn herauszufinden.
»Du reitest gar nicht mehr mit dem hübschen Pferdchen aus«, bemerkte er nun und zog ebenfalls ein kleines Messer heraus, um an einem Stück Holz herumzuschnitzen, das er von dem Stapel Scheite genommen hatte. Also hatte er sie schließlich doch erkannt, dachte Antonia. Vielleicht war das ganz gut so.
»Selten. Aber wenn der Schnee liegen bleibt, werde ich wieder Vorräte beschaffen müssen.«
»Ich könnte dich begleiten.«
»Besser nicht. Aber erzähle, woher kommst du eigentlich, Xavier? Ich höre einen leichten französischen Akzent in deiner Sprache.«
»Ah, die Sprache verrät, dass ich kein Einheimischer bin! Nicht die Hautfarbe?«
Antonia grinste ihn an. »Ich habe Köhler gesehen, die schwärzer waren als du.«
»Die Köhlerei ist ein übles Geschäft und mit viel Pech verbunden. Insofern mag eine weitere Ähnlichkeit bestehen. Pech hatte auch ich. Eine so dürftige Bleibe wie dieses Haus war es nicht, in der ich das Licht der Welt erblickte. So kalt wie hier wurde es dort nie. Doch das sind meine einzigen Erinnerungen an meine ersten Jahre. Man holte mich, als ich vier war, von Sainte Marie fort, damit ich einer herrschaftlichen Familie als Page dienen durfte. Ich erhielt bunte Seidenkleider und einen juwelengeschmückten Turban, der, wenn ich ihn noch besäße, mir heute ein erträgliches Leben gestatten würde.«
»Kleine Pagen wachsen.«
»Und werden große Pagen, doch dazwischen war eine üble Zeit, in der ich der Duchesse keinen angenehmen Anblick bot. Zum Kamineauskehren trägt man weder Seidenkleider noch Juwelen. Aber man erkannte mein Geschick mit Pferden, weshalb ich wieder eine köstliche Livree erhielt und bei Ausfahrten einen exotischen Anblick bieten durfte. Vor allem, da man mir eine weiß gepuderte Perücke anbefahl.«
»Armes Schwein«, entfuhr es Antonia.
»Menschenwürde stand in den ersten achtzehn Jahren meines Lebens nicht auf dem Tagesplan.«
»Sie kam mit der Revolution zu dir?«
»Stückchenweise. Meine Herrschaften beschlossen, sich dem Pöbel zu entziehen, aber nicht auf so schäbige Weise wie manch anderer, der lediglich mit den Kleidern auf dem Leib die Flucht antrat. Man tat es mit Gefolge.«
»Über den Rhein?«
»Aber nein. Man hatte Beziehungen nach England. Wir reisten unbehindert Richtung Kanalküste, obwohl 1793 der terreur seinen Höhepunkt erreichte. Aber der Graf hatte ein Händchen fürs Schmieren.«
»Und die Mittel.«
»Und die Mittel.«
»Warum hältst du dann deiner Herrin nicht jetzt die Tür ihres vornehmen Londoner Palais auf?«
»Sie verlor ihren Kopf.«
»Wie peinlich.«
»Durch Verrat.«
»Wie üblich.«
»Ich trauere ihr und ihren Angehörigen nicht nach. Doch was passierte, war ein Schurkenstreich, und ich kann froh sein, dass ich meine schwarze Haut beinahe unbeschadet gerettet habe.«
»Was geschah?«
»Der Mann, der heimliche Überfahrten für Aristokraten nach England organisierte, hatte die Zeichen der Zeit erkannt. Er sollte uns die Fahrt über den Kanal vermitteln – zu einem entsprechenden Preis. Aber als es so weit war, besann er sich darauf, dass die neuen Machthaber ihm wohler gesinnt wären, wenn er dieses einträgliche Geschäft an den Nagel hing und ihnen als Morgengabe für die neue Ehe eine fette aristokratische Beute andiente. Statt des Schiffs kamen die Schergen. Mich fanden sie nicht, weil ich mich unter einem Heuhaufen versteckte und es mir gelang, den Entsetzensschrei zu unterdrücken, als mich ein Bajonett beinahe in die Schulter traf.«
»Glück im Pech.«
»Und dann viel Pech. Ich war krank und halb verhungert, niemand traute sich, mir zu helfen. Schwarze Männer liebt man nicht, Toni. Ich war erst ein Schaustück, dann ein Ausgestoßener. Aber ich wollte überleben.«
»Diebstahl und Bettelei.«
Xavier hob die Schultern. »Ein paar Deserteure hatten keine Angst vor mir. Ich zog mit ihnen. So kam ich her.«
»Raub und Diebstahl?«
»Handel, Toni, Handel. Manchmal auch Schmiedearbeit.«
»Lassen wir das mal so stehen.« Antonia war mit dem letzten Fisch fertig und wusch sich die
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