Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
Owaihi?«
Das braun gebrannte Gesicht des Anthropologen wurde etwas dunkler, aber mutig schilderte er, die Kleidung stelle sich eher spärlich dar. »In diesem Fall hier handelt es sich um eine Tänzerin in einem Rock aus Tapa. Dazu trägt sie Kränze und Ketten, die aus Blättern gebunden werden. Zu manchen Anlässen flechten sie Blumen mit hinein. An den Hand- und Fußgelenken tragen sie Ketten aus Hundezähnen, Muscheln, Samen oder Walknochen, die rhythmisch klappern, wenn sie tanzen. Überhaupt bewegen diese Menschen sich in großer Harmonie, und ihre Körper, die sie so anmutig zur Schau stellen, entsprechen ganz unserem antiken Schönheitsideal.« Er seufzte einmal versonnen und schwärmte dann fast ehrfürchtig: »Gott, man muss es gesehen haben, wie diese jungen Männer und Frauen auf einfachen Holzplanken hinaus auf das offene Meer rudern und von dort, wenn eine der hohen Wellen sich auftürmt, darauf stehend auf dem Kamm zum Ufer reiten. Wie die Götter erscheinen sie, golden und leuchtend unter der Sonne. Die Frauen sind groß und schlank, wohlgebildet an allen Gliedern. Ihre Haare sind lang und schwarz und leicht gewellt, ihre Augen strahlend und voller Stolz. Sie wirken so ganz anders als unsere Frauen mit ihren gekünstelten Frisuren und Gebaren. Ihre Haltung ist von einer natürlichen Majestät. Manche, die von Adel sind, halten große Macht in ihren Händen, und die Männer nähern sich ihnen nicht anders als auf dem Boden kriechend.«
Cornelius räusperte sich, als er den Überschwang bemerkte, in den sich Carlson steigerte, als er die Schönheit der Frauen pries.
»Auch bei uns, lieber Freund, gibt es Damen von Anmut, und auch bei uns täten einige Männer gut daran, sich ihnen auf Knien zu nähern.«
»Verzeihung, bitte verzeihen Sie, meine Damen. Ich vergaß mich.«
Carlson rutschte von seinem Sessel, ging auf Knie und Hände und senkte den Kopf demütig. Susanne kicherte, und Antonia betrachtete ihn mit einem belustigten Zucken ihrer Mundwinkel.
»Cornelius?«
»Ich nicht, nein, nein!«
»Irgendwann kriege ich dich dazu.«
»Da wird noch viel Wasser den Rhein hinunterfließen müssen«, beschied er sie, doch Susanne bemerkte einen seltsamen Ausdruck auf seinem Gesicht. Die sanftere Hälfte, wollte ihr scheinen, drückte Sehnsucht aus und die Bereitschaft, sich ohne Zögern vor Antonias Füße zu werfen.
»So ist das also«, stellte sie für sich fest. »Nicht Melanie.« Laut aber befahl sie streng: »Herr Carlson, die Demonstration war hübsch, aber nun erheben Sie sich wieder.«
Er tat es mit Anmut und lächelte sie ein wenig herausfordernd an. Susanne errötete.
»Nun, es ist spät geworden«, mahnte Rieker und stand auf, um sich zu strecken. »Ich werde jetzt nach Hause gehen und Frau Susanne dabei zu ihrem Heim geleiten. Es war ein unterhaltsamer Abend, und ich denke, wir werden uns morgen oder übermorgen zusammensetzen, und uns beraten, inwieweit Ihr Projekt für uns in Frage kommt. Vertrauen Sie uns Ihre Aufzeichnung so lange an?«
»Natürlich, Herr Rieker.«
Auch Roderick Carlson hatte sich erhoben und ebenso Cornelius. Susanne beugte sich, als die Herren ihr Verabschiedungsritual durchführten, zu Antonia hin und flüsterte: »Und?«
»Von meiner Seite aus ja. Und du?«
»Ich finde ihn faszinierend.«
»Ist er. Aber sei vorsichtig.«
»Notgedrungen! Gute Nacht, Toni.«
Kurz darauf kam Cornelius zurück in die Bibliothek. Er öffnete das Fenster und ließ die laue Nachtluft hineinströmen. Der August war noch sehr warm, und ein Hauch von Rosenduft vertrieb den Tabakrauch im Zimmer. Antonia räumte die Gläser fort und goss nun für Cornelius einen Cognac und für sich einen Wein ein. Sie löschte die Lampen bis auf eine Kerze, die leicht in der Zugluft flackernd auf dem Kaminsims stand. Dann setzte sie sich auf einen gepolsterten Schemel zu seinen Füßen und reichte ihm den Schwenker. »Wirst du es machen?«
Cornelius lachte. »Euch hat er gefallen, nicht wahr?«
»Ein ungewöhnlicher Mann. Du magst ihn nicht?«
»Das habe ich nicht behauptet. Erzähl mir, was du mit seinem Tagebuch anfangen würdest, Toni.«
»Nun, es bietet erstaunlich viele Einzelheiten, ist aber unmöglich geschrieben. Doch zusammen mit seinen Erzählungen würde es einen spannenden Bericht geben. Allerdings fürchte ich, kein wissenschaftliches Werk.«
»Nein, kein wissenschaftliches.«
»Er ist kein Anthropologe.«
»Ich vermute, nein. Aber wie kommst du zu dem Schluss?«
»Ich weiß
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