Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
David von Hoven vor.
Abenteuergeschichten
Es ist eine alte Geschichte,
Doch bleibt sie immer neu;
Und wem sie just passieret,
Dem bricht das Herz entzwei.
Ein Jüngling liebt ein Mädchen, Heine
Susanne erwies sich als geschickt in der Technik der Lithografie, die ihr Cornelius und Thomas Lindlar vermittelt hatten. Die ersten Abzüge – das neue, von Napoleon der Stadt verliehenen Wappen – wurden in der Druckerei bewundert. »Die Bilder werden uns eine kräftige Auflagenerweiterung bringen. Sofern Frau Susanne weiter die Steine bearbeitet«, stellte Thomas Lindlar zufrieden fest.
»Ich würde schon gerne...«
»Du wirst auch, Susanne. Selbst wenn ich deinen Philipp persönlich überreden muss. Wir werden uns einige schöne Motive für die nächste Ausgabe einfallen lassen. Thomas, Susannes Stärke sind Porträts, und ich bin mir sicher, der Eitelkeit unserer Stadtgrößen wird geschmeichelt, wenn sie sich im Gesellschaftskalender abgebildet wiederfinden. Gehen wir mal die nächsten größeren Ereignisse durch, und schauen wir, wie wir an Einladungen kommen. Deinem Schwiegervater, Susanne, dürfte es wenig Probleme bereiten, dir den Zugang zu allen repräsentativen Veranstaltungen zu verschaffen. Schließlich ist er der Maire.«
Eine Weile zierte sich Susanne noch, doch Antonia überredete sie, zusammen mit den anderen dieses Projekt in Angriff zu nehmen, und bot ihr Unterstützung gegenüber ihrem Gatten an. Das erwies sich aber gar nicht als notwendig, denn als sie an diesem Nachmittag die Druckerei verließen und in das Haus der Wittgensteins traten, erwartete sie eine Überraschung. Philipp war bereits zu Hause, ungewöhnlich für ihn, denn er verbrachte seine Nachmittage gerne in den Kaffeehäusern. Er saß mit zwei Männern im Salon, und als er sich erhob, um sie zu begrüßen, blieb Antonia beinahe die Luft weg. Er trug einen weißen Rock mit himmelblauen Samtaufschlägen, weiße Hose und weiße Weste, schwarze Reitstiefel und einen Säbel. Ein Dreispitzhut à la Prussien lag neben ihm auf dem Tisch.
»Ist Krieg ausgebrochen?«, fragte sie trocken.
»Ein Mann hat die Aufgabe, das Vaterland zu schützen, auch wenn Frieden herrscht«, tönte Philipp hochmütig, ergänzte dann aber: »Zu Ihren Diensten, meine Damen: Leutnant Philipp Wittgenstein, Garde d’honneur à cheval.«
»Das kommt aber sehr plötzlich, Philipp«, wagte Susanne anzudeuten, als sie auf ihn zuging, um ihn und die beiden anderen Herren, ebenfalls uniformiert, zu begrüßen.
»Es war immer mein Wunsch. Und seit sich ankündigt, dass unser Kaiser uns die Ehre seines Besuches gibt, wurde die Garde weiter aufgestockt. Ich werde in den nächsten Wochen häufig im Dienst sein, Susanne. Ich hoffe, du verstehst das.«
»Aber natürlich, Philipp. Ich werde euch Herren jetzt allein lassen. Sie haben gewiss dienstliche Angelegenheiten zu bereden.« Sie ging bis zur Tür noch gemessenen Schrittes, dann aber stürmte sie die Treppe empor zu ihrem Boudoir. Antonia folgte ihr.
»Trottel, Angeber, Wichtigtuer!«, schäumte sie, als die Tür hinter ihnen zugefallen war.
Antonia setzte sich in den zierlichen Fauteuil am Fenster und fragte neugierig. »Warum regst du dich so auf?«
Susanne tupfte sich etwas Lavendelwasser auf die Schläfen und beruhigte sich schließlich.
»Ja, ich sollte mich nicht darüber aufregen, sondern sogar ganz froh sein. Diese Scharade wird ihn tagelang fesseln und von hier fernhalten. Aber... er wird sich wieder einmal so richtig als Mann fühlen. Ach Gott...«
»Das haben Uniformen so an sich. Ich habe es oft genug beobachtet. Steck einen Mann in einen strammen, tressenverzierten Rock in bunter Farbe, und gleich wölbt sich seine Brust unter dem Hemd. Das vergeht erst, wenn sie durch Schlamm und Blut waten müssen.«
»Die Gefahr wird er nicht laufen. Dafür wird sein Papa schon sorgen. Aber mir gibt es Bewegungsfreiheit.«
Susannes neu erworbene Fähigkeiten als Lithografin sollten bald in der Praxis erprobt werden. Einen Monat später klopfte nämlich ein Mann bei Cornelius an, der ein Empfehlungsschreiben von Paul Lettow und eine abgewetzte, dicke Kladde bei sich trug und behauptete, eine abenteuerliche Reise durch die Südsee gemacht zu haben. Cornelius lud ihn ein, seine Geschichte vorzutragen.
Roderick Carlson war hellblond, sein Schnauzbart eine Idee dunkler. Ganz jung war er nicht mehr, etwa Ende dreißig, schwer einzuschätzen. Sein Gesicht war klar geschnitten, aber seine Haut
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