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Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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setzte sich ans Fenster. Es schien, als habe sie eine Vorliebe für verwegene, von Tragik umgebene Männer. Susanne fragte sich, ob dieser unstatthafte Drang nach Abenteuern erblich war und nahm ihr stummes Gespräch mit ihrem Vater wieder auf.
    »Mama muss auch so eine Neigung zum Abenteuer gehabt haben. Sie ist schließlich aus ihrem Elternhaus geflohen. Ich bin sicher, man hat ihr damals genauso zugesetzt wie mir. Die Bernsdorfs waren ja unzumutbar für sie. Protestanten, reiche Fabrikanten, aber ohne vornehme Vergangenheit. Pah! Aber Mama hat dich dennoch gewählt, Papa.«
    Mit einem Schlag kam Susanne ein Gedanke.
    Erst erschien er ihr völlig absurd. Dann fing er an, in ihrem Kopf Kreise zu ziehen, und auf einmal rückte er in die Nähe des Machbaren. Susanne fing an zu kichern.

Staubige Wege und staubige Bücher
     
    Wer einem Fremdling nicht sich freundlich mag erweisen, der war wohl selber nie im fremden Land auf Reisen.
    Rückert
     
     
    Der sonnige, warme Herbst 1804 war reich an Früchten und Gemüse, und Elisabeth hatte ihren Wagen mit den Erzeugnissen des Landes vollgeladen. Derzeit bewachte Toni ihn, während ihre Mutter der Bäuerin einen Besuch abstattete. Seit über einem Jahr hatten sie wieder das Häuschen in Pfungstadt bezogen und waren ihrer Beschäftigung als Markthändler nachgegangen. Die Frage, ob Toni nicht endlich Mädchenkleider tragen sollte, war nie wieder berührt worden, seit Elisabeth auf dem Rückweg der Truppen von einem betrunkenen Soldaten brutal vergewaltigt worden war. Über diesen Zwischenfall hatten sie später kein Wort mehr verloren, statt dessen versuchten sie, zu ihrem normalen Leben zurückzukehren. Toni besuchte die Dorfschule, sammelte Beeren und Pilze und half beim Verkauf am Marktstand. Aber sie streifte nicht mehr allein auf unbekannten Wegen umher und mied die Gesellschaft der Dorfkinder. Vor allem aber steckte sie häufig ihre Nase in ihre Bücher, darunter auch einige französische. Diese Texte hatten ihr anfangs Mühe bereitet, sie konnte die Sprache zwar ausgezeichnet verstehen und sprechen, das geschriebene Wort hingegen fiel ihr schwer. Sie schlug sich aber redlich damit herum. So auch an diesem sonnig warmen Septembernachmittag im Schatten des Marktwagens. Neben sich hatte sie einen Krug kühlen Apfelweins, ein frisches Brot und ein Stück hausgemachter Sülze. Das Pferdchen hatte sie hinter sich an einen Baum gebunden, sie hörte sein Rupfen und Kauen, das Tschilpen der Spatzen, denen sie einige Krumen hingeworfen hatte, und das Summen einiger Wespen, die sich an herabgefallenen Pflaumen delektierten.
    Die Idylle wurde von Hufgeklapper unterbrochen, und alarmiert sah Toni auf. Ein einsamer Reiter näherte sich auf dem steinigen Feldweg, und als er näher kam, erkannte sie eine französische Uniform. Sorgsam legte sie das Buch zur Seite und griff nach dem Heft des Messers, das sie in ihrem Stiefel verborgen hatte.
    Der Mann zügelte sein Pferd, als er den Marktkarren sah und warf einen suchenden Blick um sich. Als er Tonis gewahr wurde, die in abwehrbereiter Haltung neben den Hinterrädern stand, machte er eine grüßende Geste und sagte in gebrochenem Deutsch: »Bitte nicht erschrecken, junger Mann. Ich habe nur eine Frage.«
    »Bonjour, Monsieur l’Officier«, erwiderte Toni vorsichtig. »Was wünschen Sie zu wissen?«
    »Ah, Monsieur spricht meine Sprache. Wie vortrefflich! Gestatten Sie, dass ich absteige? Es geziemt sich nicht, von oben herab mit einem gebildeten Mann zu sprechen.«
    Toni entspannte sich, ja, sie war sogar erheitert und nickte auffordernd.
    »Ich scheine mich in dieser hübschen Gegend verirrt zu haben. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir verrieten, wo ich mich eben befinde.«
    »Etwa drei Meilen südlich von Pfungstadt, der Karrenweg, den sie nahmen, Monsieur, endet hier auf dem Bauerhof. Sie gingen wirklich in die Irre. Wohin wollten Sie denn?«
    »Gernsheim heißt der Ort. Kennen Sie ihn?«
    »Ich war noch nie dort, aber ich weiß, wie Sie dorthin kommen.«
    Mit einem leicht hinkenden Schritt trat der Mann näher, und Toni bemerkte den Staub auf seiner Uniform.
    »Wäre es möglich, von Ihnen gegen eine angemessene Bezahlung eine Erfrischung zu erstehen, Monsieur?«
    »Hören Sie mit dem Monsieur auf. Ich bin Toni. Wenn Sie mit Apfelwein, Brot und Sülze zufrieden sind, will ich meine Mahlzeit gerne mit Ihnen teilen. Mit einem Grinsen fügte sie hinzu: »Ich werde es Ihnen aber weder auf einem flachen Teller noch in einer

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