Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
ausgebrochen. Überall wurden Gerüste und Podeste aufgestellt, mit Girlanden umwunden, mit Fahnen geschmückt, Fackeln angebracht und Wimpel aufgezogen. Kaiser Napoleon und seine Frau Josephine wurden am 12. September in Köln erwartet.
Die Stadt rüstete sich zu einem festlichen Empfang. Einer der Vorteile des Hirzen’schen Hauses war sicherlich, dass es mitten im Geschehen stand. Die Kaiserin würde im Hackeney’schen Hof, der Emperateur selbst einige Häuser weiter im Blankenheimer Hof residieren. Allenthalben herrschte erwartungsvolle und freudige Stimmung. Es sollte zahllose Empfänge und Geselligkeiten geben, Bälle und feierliche Diners, Paraden und allerlei Lustbarkeiten in den Straßen und auf den Plätzen. Und ein Feuerwerk über dem Rhein.
Auch ihr Onkel hatte ein Essen geplant, zu dem einige hochrangige Personen aus dem kaiserlichen Gefolge geladen waren. Und in Susannes Händen lag die Organisation des festlichen Abends, wenngleich nominell dafür die betagte Haushälterin zuständig war. Susannes derzeitige Misslaunigkeit war jedoch nicht durch die Hektik der Vorbereitungen entstanden, sondern durch den Besuch von Herrn Franziskus Hedderich.
Kaiserin Josephine hatte an diesem Tag feierlich Einzug in Köln gehalten, wobei, wie Susanne vermutete, das Feierliche ausschließlich auf Seiten der Kölner und ihrer Honoratioren lag. Ihre Majestät blieb nämlich, zum Bedauern der an den Straßen versammelten Bürger, hinter den verhüllenden Vorhängen ihrer Kalesche verborgen, und auch Susanne und ihre Cousinen, die am Fenster ihre Ankunft verfolgten, konnten keinen Blick auf sie erhaschen. Sie hatte selbst beim Betreten ihres Quartiers den Schleier fest um ihr Gesicht gezogen. Man munkelte, eine heftige Migräneattacke sei der Grund dafür.
»Sieh mal, da kommt dein Freier«, spöttelte eine ihrer Cousinen, als sie den ältlichen Herrn mit seinen knieweichen Schritten auf den Eingang des Hauses zusteuern sah. Franziskus Hedderich, ein Freund ihres Onkels, hatte verschiedentlich bei Veranstaltungen versucht, sich ihr gefällig zu machen. Sie fand ihn ermüdend langweilig, hörte aber immer höflich zu. Erst die spöttischen kleinen Spitzen ihrer Cousinen hatten in ihr den Verdacht aufkommen lassen, er suche nicht gänzlich ohne Absicht ihre Nähe.
Ihre Vermutung trog sie nicht. Noch an diesem Nachmittag ließ ihr Onkel sie zu sich in sein Arbeitszimmer bitten und machte sie mit dem Wunsch seines alten Freundes vertraut, sie zu seinem Weib zu nehmen. Weiß vor Ärger verließ Susanne kurz darauf den Raum und verschloss mit einer heftigen Gebärde ihre eigene Zimmertür. Die Familie würde es sich nicht entgehen lassen, auf dem morgigen Fest ihre Verlobung mit dem alten Langweiler bekannt zu geben. Knurrend vor Zorn wanderte sie auf und ab. Fliehen müsste man können, einfach weglaufen vor diesen Aussichten. Himmel, wenn es doch nur einen Zufluchtsort gäbe.
Als sich das erste Aufwallen ihrer Wut gelegt hatte, setzte eine müde Niedergeschlagenheit ein, und wie so oft führte sie ein stummes Gespräch mit ihrem verstorbenen Vater. Er war in ihrer Erinnerung immer ein heiterer, unternehmender und fantasievoller Mann geblieben, ein Künstler, der mehr Wert auf Herzensanmut als auf steife Manieren gelegt hatte und der seiner Tochter oft genug mit einem Augenzwinkern Dinge erlaubte, die selbst ihre sanftmütige Mutter missbilligt hatte.
»Nie würdest du von mir verlangt haben, einen solchen Mann zu heiraten, Papa«, flüsterte sie, nachdem sie ihm ihr Leid geklagt hatte. »Ach, ich wünschte, du zeigtest mir einen Ausweg.« Sie lehnte die Stirn an die kalte Scheibe des Fensters und sah zur Straße hinaus. Die Ehrenwache in ihren goldbetressten Uniformen schritt auf und ab, bunte Wimpel flatterten, Damen in vornehmen Kleidern und schmucke Offiziere flanierten unter den Bäumen.
Es zog und zerrte noch immer dieser Schmerz in ihrem Herzen, wenn sie einen französischen Offizier sah. Obwohl derjenige, nach dem sie sich sehnte, die Stadt längst verlassen hatte. Zwei Jahre lang hatte er sein Quartier im Haus der Hirzens gehabt, die, wie so viele Familien, die Angehörigen der französischen Streitkräfte aufnehmen mussten. Aber Major Sebastien Renardet war ein rücksichtsvoller Logiergast gewesen, höflich und mit guten Manieren, anders als manche der neuen Offiziere, die die Revolution oft aus häufig sehr niedrigen Bevölkerungsschichten emporgespült hatte. Susanne fasste sofort eine stille Neigung zu
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