Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
dummen Kalender zu verwenden.«
»Ich glaube, er wird nicht mehr lange von Bestand sein. Unser Kaiser hat sich mit dem Papst bereits darüber verständigt.«
Das Pferdchen schnaubte, und Toni sprang auf.
»Oh, meine Mutter hat ihren Besuch bei der Bäuerin beendet. Wir werden jetzt aufbrechen, denke ich.«
Elisabeth musterte den dunkelhaarigen Offizier mit einem gewissen Misstrauen, ließ sich aber von Toni beruhigen. Sie selbst sprach nur wenig Französisch, und so übersetzte Toni ihre neugierigen Fragen nach ihrer Heimatstadt, während sie den Karrenweg zurückzockelten. Sie erfuhren, dass inzwischen wieder viele Kölner in der Munizipalverwaltung tätig waren. Wer den Schwur auf die Republik leistete, hatte gute Chancen, ein einflussreiches Amt zu erhalten. Renardet selbst hatte die ersten Kölner in die Arbeit des Kriminalgerichts eingewiesen. Der Dom – im Vertrauen gesagt, ein entsetzlich hässliches Gemäuer – sei seit drei Jahren wieder zur Pfarrkirche geweiht. Die Klöster und Stifte seien inzwischen jedoch aufgelöst und die Gebäude an Fabrikanten verkauft oder in städtische Einrichtungen verwandelt worden.
»Was ist mit Sankt Mauritius geschehen?«, wollte Elisabeth wissen. Leicht überrascht übersetzte Toni diese Frage.
»Sankt Mauritius?«
»Ein Kloster der Benediktinerinnen. Südlich vom Neuen Markt.«
»Tut mir leid, alle Einzelheiten kenne ich nicht. Vermutlich ist es ebenfalls aufgelöst worden.«
»Was ist mit den Nonnen geschehen?«
»Sie werden, wie alle, ihre staatliche Pension erhalten und jetzt ein weltliches Leben führen. Viele sind zu ihren Familien zurückgekehrt. Aber einige Orden widmen sich der Krankenpflege, soweit ich weiß.«
Sie hatten die Straße erreicht, und Toni wies Renardet den Weg nach Gernsheim. Sehr höflich verabschiedete er sich von Mutter und Tochter, und Elisabeth hatte, trotz Tonis vorwurfsvollem Blick, keine Hemmungen, die Bezahlung für die Mahlzeit anzunehmen.
»Warum wolltest du etwas über Sankt Mauritus wissen, Mama?«, hakte Toni neugierig nach, nachdem der Colonel ihren Blicken entschwunden war.
»Ich kannte einmal ein paar der Schwestern.«
Mehr wollte sie nicht dazu sagen. Statt dessen machte Elisabeth Toni milde Vorwürfe, weil sie so unbedarft einem Fremden vertraut hatte.
»Warum gehen wir denn nicht nach Köln zurück, Mama?«, fragte sie, als die Gardinenpredigt ihr Ende gefunden hatte.
»Ich habe bisher nicht daran gedacht, Toni. Es gehört ja inzwischen den Franzosen. Außerdem – Franz und Jupp sind hier.«
Sie ließen das Pferdchen ein Stück traben, denn ihr Heim war nun ganz nahe. Nach einigen Minuten brach Elisabeth das Schweigen zwischen ihnen wieder.
»Ich habe mir überlegt, ob wir nicht im nächsten Frühjahr in die Stadt umsiedeln sollen. Die Schule endet jetzt für dich, und ich habe den Eindruck, viel mehr kann dir der Lehrer nicht mehr beibringen.«
»Nein, kann er wirklich nicht«, grinste Toni.
»Dieser alte Pater, der hat doch vorgeschlagen, du solltest den Buchhandel lernen. Wir könnten sehen, ob wir eine Lehrstelle für dich finden. In Darmstadt ist das bestimmt möglich.«
»Können wir uns das leisten?«
»Ja, ich denke schon. Ich würde gerne einen kleinen Kramladen aufmachen, weißt du. Dieses Umherziehen, den Stand sommers wie winters, bei Hitze und Regen aufzubauen, das wird mir allmählich zu viel.«
Toni nickte. Es war schwere Arbeit, einen Marktstand gut zu führen.
»Aber du musst jetzt als Mädchen auftreten, Toni. Du bist zu alt, um als Junge durchzugehen.«
»Pah!«
»Doch, Toni. Weißt du noch, als Jupp und Franz vierzehn waren?«
»Ja, ja, ja. Da waren sie besonders unleidlich und bildeten sich wer weiß was auf die paar Fusseln in ihrem Gesicht ein. Aber ich könnte behaupten, ich sei erst zwölf. Ich bin ja nicht so groß.«
»Du wirst mit jedem Tag älter.«
Ein halbes Jahr später stichelte Elisabeth eifrig an dem Saum des dunkelbraunen Rocks, während Antonia missmutig, wenn auch geschickt, einen Ärmel in eine kurze Schoßjacke, den Caraco, einsetzte.
»Ich werde mich bei jedem Schritt in meinen Unterröcken verwickeln«, murrte sie dabei.
»Mir gelingt es, mich recht gut in Röcken fortzubewegen.«
Ihre Mutter bedachte sie mit einem halb spöttischen, halb verständnisvollen Lächeln.
»Du kennst es ja nicht anders.«
»Ach, Toni, du wirst es lernen. Du wirst hübsch darin aussehen. Vor allem, wenn deine Haare gewachsen sind.«
»Wer will schon hübsch
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