Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
froh um jeden Mann, um den er sich nicht kümmern musste. Also stand David am Abend an der Tür des Waldegg’schen Hauses und klopfte.
Johann, der ihm öffnete, begrüßte ihn mit einer geradezu väterlichen Freude. Elena kam aus dem Salon gestürzt, umarmte ihn heftig und zerrte ihn förmlich in den Raum, wo Antonia mit ihrer kleinen Tochter im Arm saß. Sehr vorsichtig legte sie die Kleine zurück in die Wiege und stand auf.
»David! David, unverletzt?«
»Ja, Toni.« Er schlang die Arme um sie und drückte sie fest an sich. »Kleine Schwester, es ist so schön, dich wiederzusehen.« Er kämpfte mit der Rührung, als er in ihr blasses Gesicht sah. »Ist denn mit dir alles in Ordnung?«
»Ich stehe schon wieder auf eigenen Füßen, und der Kopf funktioniert auch einigermaßen. Aber die letzten Wochen waren ein bisschen anstrengend.«
»Ich habe so lange nichts von euch gehört. Den letzten Brief erhielt ich im Juli von Cornelius.«
»Nun, dann schau dir mal die wichtigste Neuerung an, die wir erworben haben.« Sie wies auf die Wiege. »Deine Nichte Sebastienne. Sie traf vor elf Tagen hier ein.«
David beugte sich über die Decken, aus denen nur das schwarzlockige Köpfchen hervorschaute. »Renardet?«
»Er starb im Herbst.«
»Ach, Toni. Es tut mir so leid.« Ganz zart strich er dem Kind über die Wange, und es blubberte leise. »Er war ein tapferer Mann, der General. Er hatte ein besseres Schicksal verdient. Wir hätten gute Freunde werden können.«
»Das hättet ihr. Er hielt sehr viel von dir, David. Er war dir so dankbar, dass du ihn zu mir geschickt hast. Ich... ich denke, ich habe ihn noch ein wenig glücklich gemacht.«
»Dessen bin ich mir ganz sicher.«
»David?«
»Ja, Toni?«
»In all dieser Unruhe und dem Hin und Her ist es uns nicht gelungen, Sebastienne taufen zu lassen. Aber ich denke, in den nächsten Tagen wird es möglich sein. Würdest du ihr Pate werden?«
»Es wäre mir eine große Ehre, Toni. Eine sehr große.«
»Danke. Cornelius hat es nämlich abgelehnt. Er fühlt sich nicht christlich genug dafür, hat er erklärt.«
David sah sie verwundert an, meinte dann aber: »Er wird dennoch immer für euch da sein, wenn ihr ihn braucht. Ich glaube, darauf kannst du dich verlassen.«
»Darauf können sie sich verlassen«, bestätigte Cornelius von der Tür her und ging auf seinen Bruder zu. Wortlos zog er ihn in seine Umarmung.
»Deine Augen sind kriegsmüde geworden, mein Bruder.«
»Ich bin kriegsmüde, Cornelius.«
»Dann solltest du unbedingt morgen das Lazarett bei Sankt Cäcilien aufsuchen. Dort gibt es Menschen, die sogar das heilen können.«
»Ich fürchte, das wird, wenn überhaupt, nur die Zeit heilen.«
Antonia aber hatte verstanden, was Cornelius andeuten wollte, und setzte nach: »Doch, David, ich halte es auch für eine gute Idee. Es sind dort Damen tätig, die eine gute Hand in solchen Fällen wie dem deinen haben. Elena und ich sind ja feige und gehen derzeit nicht in die Hospitäler, weil wir Angst haben, irgendetwas Ansteckendes mit nach Hause zu bringen, was Sebastienne schaden könnte. Aber Susanne beispielsweise kümmert sich jeden Tag um die Blessierten und Erschöpften.«
David ließ sich auf dem Kanapee am Kamin nieder und nahm von Elena das Glas Rotwein an.
»Susanne...«, flüsterte er. »Wie geht es ihr?«
»Gut, besser als noch vor einigen Monaten. Philipp ist tot, es hat sich ein Überlebender gefunden, der gesehen hat, wie er bei dem Brückenschlag über die Beresina von einem Balken erschlagen wurde und von den Fluten fortgespült wurde. Er war in seinen letzten Tagen noch sehr tapfer.«
»Sie arbeitet im Lazarett, hat sie keine Angst um ihr Kind?«
»Das wird von ihren Großeltern vergöttert, sie hält sich von Leilanie fern. Es sind ungewöhnliche Zeiten, David, und wir alle versuchen zu helfen, auch unter persönlichen Opfern. Ich habe deine Vorschläge, die du in dem Brief von Leipzig gemacht hast, so gut es ging umgesetzt.«
»Ja, ich habe von den Frauenvereinen gehört. Auch dafür danke, Toni.«
Sie redeten noch viel an diesem Abend, bis David plötzlich einfach an ein Kissen gelehnt einschlief.
Alte Kameraden
Ich hatt einen Kameraden,
einen bessren findst du nit.
Die Trommel schlug zum Streite,
er ging an meiner Seite
in gleichem Schritt und Tritt.
Der gute Kamerad, Uhland
Susanne saß am Bett eines preußischen Majors und bemühte sich, ihm Brühe einzuflößen. Er war ein großer, starker, ungeheuer
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