Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
Unternehmern.
Sie kamen, aus Gründen, die die Natur vorgab, nicht dazu, das Thema zu vertiefen, und als Antonia sich von der Wehe wieder erholt hatte, seufzte sie: »Das geht jetzt schon seit sechs Stunden so. Nimmt denn das gar kein Ende?«
»Es nimmt einmal ein Ende. Soll ich die Hebamme rufen?«
»Noch nicht. Erzähl mir einfach den gängigen Klatsch. Ich bin die letzten Wochen nicht mehr aus dem Haus gekommen, und Maman hat kein Talent für Pikanterien.«
»Hach, aber ich?«
»Natürlich.«
Susanne grinste. »Danke. Also, die teure Isabetta nimmt die Salons im Sturm. Sie hat ein unglaubliches Talent, sich überall ein Entree zu verschaffen. Und die Herren – nicht alle, wohlgemerkt – schenken ihr mehr als nur beiläufige Aufmerksamkeit. Sie zieht einen ganz bestimmten Typus an. Ich glaube, solche, die – mhm – erfahrene Frauen vorziehen.«
»Sie verbreitet ja auch den Anhauch von Erfahrenheit.«
»Cher Frédéric wird gelegentlich in ihrer Gesellschaft gesehen, und man munkelt, Charlotte sei nicht ganz glücklich darüber. Denn sie war es ja, die Isabetta in ihre Kreise eingeführt hat.«
Als die nächste Wehe abebbte, berichtete Susanne: »Die liebe Charlotte hat übrigens inzwischen ein eigenes Spendenkränzchen aufgemacht. Ich glaube, sie vermisste die menschliche Wärme in unserem Frauenverein.«
»Ja, es ist derzeit sehr en vogue, sich der Wohltätigkeit zu widmen. Bringt sie wenigstens eine vernünftige Summe ein?«
»Keine Ahnung. Die Abrechnungen macht die ›Gesellschaft zur Verteilung von Lebensmittel‹.«
»Wer ist denn, zum Teufel, das schon wieder?«
»Die Charité maternelle. Beziehungsweise einige Damen daraus.«
»Dann habe ich ja gute Chancen, mich da mal einzumischen. Würde mich interessieren, was die Einzelnen so zusammenbekommen.«
»Du willst doch nur wissen, wo die Knicker sitzen.«
»Richtig. Und dann werde ich mal wieder eine Rede halten. Eine, die auch die letzen Börsen öffnet.«
Für eine Weile hielt Antonia dann aber keine Reden mehr, und anschließend widmete Susanne sich dem erfreulichen Sujet der ansehnlichen jungen Männer, hier insbesondere in der Person des Hans Christian von der Leyen, der kurz nach Weihnachten in Köln erschienen war. Cornelius’ zehn Jahre jüngerer Bruder hatte sehr vorsichtig und beinahe schüchtern bei Cornelius angeklopft, wurde aber mit offenen Armen aufgenommen. So hörten sie denn, der alte von der Leyen habe seinen ältesten Sohn nie wieder erwähnt, die Mutter hingegen sprach heimlich von seinen Erfolgen als Verleger. Cornelius hatte Möglichkeiten gefunden, ihr dann und wann Nachrichten über sein Ergehen zukommen zu lassen, die sein Vater nicht entdecken konnte. Christian war ein einnehmender junger Mann, er ähnelte seinem Bruder, aber sein Gesicht war weit ebenmäßiger als das von Cornelius. Seine trocken vorgebrachten Geschichten von Studentenstreichen erheiterten die Damen immer außerordentlich.
»Du wirst dich doch nicht wieder verliebt haben, Susanne?«
»Nein, er ist zwar ein hinreißender junger Mann, aber seit Roderick habe ich den Geschmack an grünen Jungen verloren.«
»Ob er wirklich so grün ist? Er tut gerne unbedarft, aber in seinen Augen liegt manchmal ein ziemlich abschätzender Blick. Na, solange du nicht in seine Arme sinkst, wird es keinen Schaden anrichten. Wenn dieses – uuuch – vorbei ist... puh, werde ich ihn mir näher ansehen.«
Die letzten Worte stieß Antonia zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. Als der Krampf vorbei war, fragte sie Susanne nach der Arbeit in den Lazaretten.
»Erzähl mir von den Schmerzen anderer, dann schätze ich mich glücklich, nur einfach in Stücke gerissen zu werden.«
»Es ist entsetzlich, Toni. Es sind ihrer so viele. Wir tun, was wir können, aber für Dutzende haben wir nicht einmal Decken. Großvater hat noch einmal seine Lager durchgesehen und Stoffe gespendet. Es ist ein Albtraum, was den armen Männern angetan wird. O Gott, hoffentlich treffe ich nie auf jemanden, den ich kenne. So bleibt wenigstens eine kleine Distanz, aber wenn ich mir überlege...«
»… dass David eines Tages zerschossen und blutend dort eingeliefert wird?«
»Ja.«
»Ich habe auch Angst davor. Wenn er kommt, heil oder blessiert, Susanne, solltest du dich nicht zu sehr zieren.«
»Was meinst du damit?«
»Das weißt du doch ganz genau.«
Susanne bekam heiße Wangen. Tatsächlich hatte sie das eine oder andere Mal darüber nachgedacht, was passieren würde, wenn
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