Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
lass mich in Ruhe.«
»Nein, David. Bist du so abgestumpft, dass du einem Sterbenden nicht mehr den letzten Wunsch erfüllen kannst? Er wollte dich auf Knien bitten. Aber er hat keine Knie mehr, auf die er fallen könnte. Er hat kaum noch einen Funken Leben in sich, und das, was er spürt, sind tatsächlich höllische Schmerzen.«
»Ich gönne sie ihm!«
Susanne, die sich bemüht hatte, ruhig zu bleiben, riss der Geduldsfaden. »Du herzloses, arrogantes Scheusal. Hat dich jede Form der Menschlichkeit verlassen? Bist du denn bar jeden Mitleids?« Dann sah sie ihm in die Augen und stieß mit maßloser Bitterkeit hervor: »Und einen Mann wie dich glaubte ich zu lieben.«
Sie öffnete die Tür und lief davon.
David sah ihr mit offenem Mund nach, schloss ihn aber sogleich wieder und rannte hinter ihr her. Er erwischte sie an der Treppe und bekam sie an den Armen zu fassen.
»Susanne, ist das wahr?«
»Nein, verdammt. Es ist nicht wahr. Es war ein dummer Ausrutscher.«
»Bist du sicher? Ich... ich war eigentlich hergekommen, um dir etwas Ähnliches zu gestehen.«
»Das ist mir gleichgültig. Lass mich zu meinem Patienten. Er hat meinen Trost verdient.«
»Ich begleite dich, Susanne«, lenkte David sanft ein. »Über den Ausrutscher sprechen wir später, einverstanden?«
Sie war noch immer aufgebracht, jetzt zusätzlich auch verwirrt. Doch da zog David ihre Hand nach oben, beugte seinen Kopf und drückte sie an seine Stirn.
»Bitte.«
»Wirst du ihn anhören?«
»Ja, Susanne.«
Adam Burk hatte die Augen geschlossen, aber er schlief nicht. Als David an sein Bett trat, sah er zu ihm hoch und nickte kaum merklich.
»David. Ich habe dich, seit wir uns kennengelernt haben, damals in Werneuchen, drangsaliert und gequält. Ich habe dich gedemütigt und dir deine Ehre genommen. Ich kann nicht erwarten, dass du mir jemals verzeihst. Ich kann dir nur sagen, wie unendlich ich es jetzt bedauere.«
Susanne schob David sacht den Stuhl in die Kniekehlen, und er setzte sich.
»Ja, du hast mir immer den größten Ärger bereitet, Adam.«
»Ich habe sogar deine Verlobte geheiratet. Sie ist mit mir nicht glücklich geworden, und letzten Sommer starb sie im Kindbett. Auch das bedauere ich.«
Susanne schlich sich leise fort.
»Was ist dir passiert, Adam?«
»Kanonenkugel, beide Beine, linker Arm. Sie hätten mich besser auf dem Feld gelassen.«
»Es tut mir leid.«
»Das braucht es nicht, David. So habe ich wenigstens noch die Chance bekommen, dir zu verraten, dass ich dich immer bewundert und beneidet habe. Du hattest alles, was ich nie erreichen würde.«
»Du bist Major, ich nur Capitain.«
»Du wirst schnell genug das werden, was immer du werden willst. Aber lass diese junge Frau nicht gehen, David.«
»Nein, ich werde sie nicht gehen lassen.«
Sie schwiegen gedankenverloren eine lange Zeit, bis David schließlich fragte: »Kann ich noch etwas für dich tun, Adam? Einen Brief schreiben, Botschaften ausrichten?«
»Susanne hat Briefe für mich geschrieben. Aber… David, meine Kinder, sie leben jetzt bei meinem Vater in Werneuchen. Ich fürchte, er wird sie mit derselben Strenge erziehen wie einst mich. Wenn dir irgendetwas einfällt, das zu verhindern, dann tu es.«
»Ich verspreche es dir. Ich habe Freunde in Berlin, die sich darum kümmern werden.«
»Danke. Meine Tochter ist ein süßes Ding, die beiden Jungs sind ein bisschen ungebärdig, aber tapfer. Grüß sie von mir.«
»Das werde ich tun.«
Sie sprachen leise von vergangenen Zeiten, von den Sommern in Werneuchen, dem Dienst in den Kasernen, den Manövern und Paraden, den Gefechten und Feldzügen, die sie mitgemacht hatten, von gefallenen und überlebenden Kameraden. David blieb, bis die Dämmerung hereinbrach, und als eine Pflegerin ein Nachtlicht brachte, fragte Adam: »Was wirst du tun, wenn der Krieg vorbei ist, David?«
»Ich werde den Dom hier fertigbauen.«
»Ein großes Ziel, mein Freund. Aber unter einem solchen hast du es ja nie getan. Es wird dir gelingen.«
»Wir werden sehen. Ich muss nun gehen, Adam. Ich komme morgen wieder.«
»Morgen werde ich wohl nicht mehr da sein.«
»Adam?«
»Siehst du das Fläschchen dort auf dem Tisch?« David wurde erst jetzt die unscheinbare, braune Arzneiphiole bewusst.»Susanne wird mir die Tropfen geben. Sie hat es mir versprochen.«
»Das sollte sie nicht tun müssen, Adam.«
»Nun, ich kann sie nicht selbst nehmen. Ich bin auf Hilfe angewiesen. Für immer. Und ich werde immer Schmerzen
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