Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
haben. Glaub mir, ich kann sie kaum noch ertragen.«
David nahm das Fläschchen auf und betrachtete es. »Willst du sie aus meiner Hand, Adam?«
»Es wäre ein letzter Freundschaftsdienst, David.«
Er war bei dem Sterbenden sitzen geblieben, hatte seine unversehrte Hand gehalten, bis er um die Mitternacht seinen letzten Atemzug tat.
Unten an der Pforte wartete Heinrich noch immer auf ihn, und als er ihm die Hand auf die Schulter legte, sagte er: »Herr Capitain, die gnädige Frau Susanne hat mir befohlen, Sie nach Hause zu bringen. Ich habe Ihre Bagage bereits dorthin gebracht.«
Ehrenschulden
Aus dem Grab, aus der strudelnden Wasserhöhle
Hat der Brave gerettet die lebenden Seele.
Der Taucher, Schiller
Überrascht war Cornelius, als Christian ihn an einem frostigen Abend Anfang März in seinen Räumen über der Druckerei aufsuchte. Er bewohnte weiterhin die beiden kargen Zimmer, obwohl er inzwischen mit seinen Verlagsprodukten so erfolgreich war, dass er sich eine angemessenere Unterkunft hätte leisten können. Aber die Nähe zu dem Waldegg’schen Haus empfand er als nützlich, abgesehen davon war er genügsam genug, um sich mit diesen spartanisch eingerichteten Räumen zufrieden zu geben. Es weckte bei seinen wechselnden Geliebten wenigstens keine falschen Hoffnungen.
Christian hatte den Aufenthalt in Köln genutzt, um sich nach der letzten Mode einzukleiden. Die Spitzen seines Hemdkragens reichten ihm bis an die Ohren, ein voluminöses Halstuch war zu einem kunstvollen Gebilde geschlungen, sein Frack jedoch war von militärischer Strenge, seine Stiefel glänzend poliert.
Cornelius dagegen trug ein Hemd mit weichem Umschlagkragen, eine gefütterte Lederweste und eine lange Hose und verzichtete auch darauf, seinen Haaren einen gefälligen Schwung zu geben. Er hatte sie, nachlässig wie er war, wieder wachsen lassen und trug sie mit einem Lederband zu einem Zopf gebunden.
»So wärmt man sich also mit den neuen Hemden die Ohren. Wie praktisch an solch kalten Tagen wie heute«, begrüßte er seinen Bruder.
»Man muss mit der Zeit gehen. Es kann nicht jeder einen solch altväterlichen Stil pflegen wie du.«
Cornelius grinste ihn an und zog an seiner Pfeife. »Setz dich, Christian. Was führt dich zu mir? Die altväterliche Stimmung in meinem Heim oder brüderliche Zuneigung? Oder hast du, was der Himmel verhüten möge, für heute Abend etwa keine Einladung erhalten?«
»Ach, ich wollte nur mal ein bisschen mit dir reden.«
Cornelius versteckte sein Erstaunen und ging stattdessen zu dem Bord mit den Karaffen, in denen er die Getränke für seine Besucher aufbewahrte. »Madeira oder Cognac. Oder einen einfachen Roten?«
»Cognac.«
Er schenkte zwei Gläser ein und setzte sich wieder hinter seinen überquellenden Schreibtisch. Aber er klappte das Tintenfass zu und legte die Stahlfeder zur Seite, mit der er sich angewöhnt hatte zu schreiben.
»Werd wohl bald wieder verschwinden«, meinte Christian beiläufig und nippte an seinem Glas.
»Pleite, Junge?«
»Nicht gerade gut bestückt.«
»Nun, auf dem Land sind die Versuchungen geringer, nicht wahr? Soll ich dir aushelfen?«
»Danke, geht schon.«
»Wirst du Ärger mit dem Vater kriegen?« Der Jüngere zuckte mit den Schultern. »Du bist seine letzte Hoffnung, Christian. Überzieh es nicht«, mahnte Cornelius, aber lächelte dabei.
»Er hätte dich ja nicht verstoßen müssen.«
»Er hat’s aber. Und ich bin ihm nicht böse darüber.«
»Du bist Mutters Malheurchen, oder?«
»Ich will nicht darüber reden.«
»Ist gut. Ich wollte... Na ja, ich wollte dir nur sagen, sie hat immer freundlich von dir geredet. Und du bist... Also, na ja... Du bist ein verdammt guter Bruder.« Er stürzte den Cognac hinunter und stand auf. »Ich geh dann mal. Mach’s gut, Cornelius.«
Ein schneller Druck auf die Schulter, Christian warf sich den Mantel um und polterte die Stiegen hinunter.
Cornelius stellte sein Glas ab und starrte einen Moment aus dem Fenster, wo er seinen Bruder in der Gasse entschwinden sah. »Verdammt!«, knurrte er. »Kleiner Narr!«
Auch er warf sich einen Mantel um und hastete hinter dem jungen Mann her. Er schlug, wie er befürchtet hatte, den Weg zum Rheinufer ein. Die Straßen waren noch immer schlecht oder gar nicht beleuchtet, und hinter dem Frankentor war es gänzlich dunkel. Aber auf den Fluten des Stromes tanzte das Licht des zunehmenden Mondes und ließ die Eisschollen weiß aufleuchten. Die Silhouetten der
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