Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
David wieder bei ihnen war. Es war ein ganz anderes Gefühl als das, was sie früher ihre Verliebtheit genannt hatte, und es war auch ganz anders als das, was sie an Leidenschaft für Roderick empfunden hatte.
»Er mag dich sehr, Sarah Susanne.«
»Glaubst du? Aber er weiß von Philipp und Roderick und Leilanie.«
»Ich halte ihn nicht für einen nachtragenden Erbsenzähler.«
Es klopfte an der Tür, und Elena trat ein. »Wie geht es dir, Toni?«
Da die nächste Wehe eine längere Antwort erschwerte, zischte Antonia lediglich: »Rat mal, Maman.«
»Es ist scheußlich. Ich weiß. Soll Doktor Schmitz nach dir schauen?«
»Der soll lieber die angeschlagenen Kämpen versorgen. Was hört man von draußen?«
»Die Preußen haben die Schanze bei Riehl eingenommen, aber die Franzosen haben sie vor dem Eigelstein zurückgeworfen. Es sieht aus, als ob sie über den Rhein zurückweichen müssen.«
»Habe ich mir fast gedacht.«
»Cornelius ist unten. Er... er wirkt etwas nervös.«
»Ist ja auch das erste Mal, dass er Onkel wird. Übrigens fühlt es sich nun anders an, ich denke, die Hebamme bekommt jetzt ihre große Stunde.«
Dann wurde es turbulent und stürmisch, und um halb neun abends hielt Antonia schließlich die kleine Sebastienne im Arm. Als sie den Kopf mit den verklebten, schwarzen Löckchen streichelte, rannen ihr die Tränen über die Wangen. »Sebastien, sie ist sehr hübsch, deine kleine Tochter«, murmelte sie, kurz bevor sie völlig erschöpft einschlief.
Als Elena ihre Tochter und Enkelin versorgt hatte, fand sie zu ihrem Erstaunen Cornelius noch in der Bibliothek sitzend. Nun ja, nicht eigentlich sitzend, sondern er hatte seinen Kopf in die Arme gebettet auf dem Schreibtisch liegen, neben ihm eine halb geleerte Karaffe Cognac.
»Cornelius? Cornelius, geht es dir gut?«
Glasige Augen suchten die Quelle der Frage. »O ja. Besser als ihr.«
»Cornelius, du bist betrunken.«
»Völlig richtig. Konnt’s nicht mehr ertragen, die Qual.«
»Cornelius, Antonia hat das Kind bekommen, nicht du.«
»Aber die Schreie. Sie hat so geschrien. Und ich konnte ihr nicht helfen. Elena, warum darf ich ihr nicht helfen?«
»Weil Kinder gebären nun mal Frauensache ist.«
»Wenn ich der Vater wäre, hätte ich dann wenigstens bei ihr sein dürfen?«
Elena zog einen Schemel herbei und setzte sich zu Cornelius. Vorsichtig strich sie ihm die wirren Haare aus der Stirn.
»Du wärst gerne der Vater ihrer Kinder, nicht wahr?«
»Will mich ja nicht. Bin ja nur ihr Bruder.«
»Du bist viel mehr für sie, Cornelius. Du bist ihr Freund und Vertrauter.«
»Sebastien war ihr Geliebter.«
»Ja, das war er. Wäre er nicht gekommen, mein Lieber, sähe die Welt heute wahrscheinlich ganz anders aus. Ist dir nicht schon einmal der Gedanke gekommen, dass Toni deine Rolle als Bruder allzu häufig und viel zu sehr betont?«
»Weil ich nicht mehr für sie bin.«
»Weil sie das andere noch nicht sehen kann und sich davor verschließt. Aber sie wird darüber hinwegkommen. Sebastien war ein Teil ihres früheren Lebens – ein unglaublich guter Teil davon. Aber nun ist er abgeschlossen, und die Zeit wird die Wunde heilen, die sein Tod verursacht hat. Warte ein paar Monate, Cornelius.«
»Ich warte schon so verdammt lange.« Sein Kopf sackte wieder auf die Arme.
»Dann kommt es jetzt nicht mehr auf ein paar Tage an. Sie muss sich an das Kind gewöhnen, hilf ihr dabei. Du wirst der Vater der kleinen Sebastienne sein, bedenke das.«
Noch einmal hob Cornelius seinen schweren Kopf. »Du bist dir sehr sicher.«
»Ich bin ihre Mutter. Ich habe viel falsch gemacht, aber inzwischen glaube ich, ich habe ihr Wesen erfasst. Sie liebt dich, Cornelius, und sehr bald wird sie entdecken, dass sie dich auch begehrt.«
Wenige Tage später war David trotz aller vergangenen Strapazen glücklich, als er seinen Fuß auf den Boden Kölns setzte. Die Franzosen hatten am vierzehnten Januar ohne Blutvergießen die Stadt geräumt, derzeit hatte ein preußischer Freiherr von Lasberg die Position des Stadtkommandanten inne. Es gab wilde Befreiungsfeiern, aber daneben war es notwendig, Einquartierungen vorzunehmen, Lebensmittel zu organisieren, die Pferde unterzubringen und die Verwundeten zu versorgen. Dankbar hörte David vom Frauenverein, der Lazarette eingerichtet hatte, entsetzt war er, als er von deren Überfüllung hörte. Von seinem Vorgesetzten erhielt er die Erlaubnis, Quartier bei seinen Verwandten nehmen zu dürfen, der Major war
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