Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
vertäuten Schiffe hoben sich schwarz gegen den Nachthimmel ab. Er führte viel Wasser, der mächtige Fluss, die Schneeschmelze in den Bergen hatte begonnen, und seine Wellen schwappten auf den gepflasterten Weg der Promenade. Außer Christian hielt sich kein Mensch mehr hier auf. Der aber strebte weiter flussabwärts, Richtung Sankt Kunibert, der nassen Füße nicht achtend, die er dabei bekam.
Cornelius fluchte, wagte aber nicht, ihn anzurufen, um keine übereilte Handlung auszulösen. Er hoffte, sein Bruder würde doch noch zögern, ehe er sich dem eisigen Wasser überantwortete.
Er schätze ihn richtig ein. Christian blieb stehen und blickte auf den dunklen, tödlich kalten Strom hinaus.
Cornelius hatte ihn fast eingeholt, hielt sich aber im Schatten der Mauern.
Dann packte den jungen Mann offensichtlich die Verzweiflung, er machte einen Schritt nach vorne in das Wasser.
Cornelius folgte ihm mit einem Satz. Er erwischte ihn am Kragen, aber die Strömung riss sie beide von den Füßen, und sie wurden hinuntergezogen.
»Schwachkopf!«, brüllte Cornelius seinem Bruder ins Ohr, als der begann, sich zu wehren. »Halt dich fest, an allem, was du findest!«
»Lass mich, Cornelius!«
»Nein, du Idiot. So löst man Probleme nicht.«
Er bekam ein abgerissenes Tau zu packen und klammerte sich mit einer Hand daran, mit der anderen hielt er wie ein Schraubstock Christians Kragen fest. Doch das eiskalte Wasser begann schon jetzt seine Wirkung zu zeigen.
»Hilf mir, Junge, sonst gehen wir beide unter!«
Noch einmal zappelte sein Bruder, dann gab er nach und packte ebenfalls das Tauende. Mit vereinten Kräften gelang es ihnen, den Poller zu erwischen, um den es gebunden war, und sie zogen sich ans Ufer. Keuchend blieben sie einen Augenblick auf den gefrorenen Boden liegen, dann raffte Cornelius sich auf.
»Los, du Held. Wir müssen ins Warme.«
Gehorsam rappelte Christian sich auf, und im Laufschritt eilten die beiden in die Stadt zurück. Cornelius pochte an Waldeggs Tür, und es war Maddy, die ihnen öffnete.
»Gott, waren Sie baden, gnädiger Herr? Das war aber sehr ungesund.« Sie wedelte sie herein und schob sie, triefend wie sie waren, in den Salon, wo im Kamin ein warmes Feuer brannte.
Elena schrie auf, und Antonia kam aus der Bibliothek gelaufen. »Maman, wir brauchen Decken. Johann soll trockene Kleider für die beiden von drüben holen. Ihr zwei zieht euch aus. Aber schnell!«
Cornelius grinste sie an. »Das hat ja fast Tradition zwischen uns.« Er warf den nassen Mantel auf den Boden, ließ die Weste klatschend folgen und nickte Christian aufmunternd zu. »Nur keine falsche Scham, Brüderchen, sie hat schon ganz andere Leichen ausgezogen.«
Aber Christian, trotz klappernder Zähne über und über rot geworden, schaffte es nicht, auch nur seinen Umhang abzulegen. Cornelius hingegen war aus den Schuhen gestiegen und knöpfte sich das Hemd auf. Antonia verließ wortlos den Raum, um in der Küche heißen Grog in Auftrag zu geben. Sie hatte eine ziemlich deutliche Vorstellung davon, was geschehen war. Christian war ein kleiner Bruder Leichtfuß, der nach dem Studium einmal ordentlich über die Stränge schlagen wollte. Sie hatte Gerüchte von wilden Eskapaden mit zugänglichen Frauen und verrückten Wetten gehört. Vermutlich hatte er sich ruiniert.
Als sie mit einer dampfenden Kanne gesüßtem Tee, der mit einem kräftigen Schuss Rum angereichert war, in den Salon zurückkam, hatte Maddy die nassen Kleider fortgeschafft, und die beiden Herren saßen, in dicke Wolldecken gehüllt, am Kamin. Elena rubbelte Christian die Haare trocken.
»Wer von euch hat wen aus dem Wasser gezogen?«
»Ich den Bengel hier.« Dankbar nahm Cornelius den Becher mit dem heißen Getränk entgegen. »Uh, das belebt wirklich jeden Ertrunkenen«, stellte er nach dem ersten Schluck fest. »Frag du ihn mal, warum er zu nachtschlafender Zeit ein kaltes Bad nehmen wollte.«
»Richtig, Christian. Welche deiner hübschen Freundinnen hat dein Herz gebrochen?« Aber Christian wirkte noch immer völlig verstört und schüttelte nur den Kopf. Antonia setzte nach: »Es gibt gewöhnlich nur wenige Gründe, die einen so weit treiben können – Liebesleid, Geldsorgen oder Ehrenschuld. Lass mich nicht zu lange raten.«
»Geht euch nichts an.«
»Ach nein? Cornelius riskiert sein Leben, ihr sitzt hier schlotternd und triefend in unserem Salon und bildet unangenehm riechende Pfützen – aber es geht uns nichts an?«
»Ist mein
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