Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
dort einen Gartenpavillon zu bauen. Er begründete es damit, die anstrengende Arbeit würde ihn auf andere Gedanken bringen und ihm zu einer Idee verhelfen, wie er seine Probleme in den Griff bekäme. Kurz bevor er aufgebrochen war, hatte Antonia ihn gefragt, ob er von Christian gehört habe.
»Ja, er wird gleich nach Ostern seinen Posten als Sekretär bei einem Minister von Hessen-Nassau antreten.«
»Und sich hoffentlich einer gebührenden Ernsthaftigkeit befleißigen.«
»Ich denke, er hat etwas gelernt aus dieser Entgleisung.«
»Und du, Cornelius? Wie wird es mit dir weitergehen?«
»Ich weiß es nicht, Toni. Manchmal denke ich, es ist mein Schicksal, ausgerechnet durch die Spielschulden meines Bruders ruiniert zu werden.«
Antonia war innerlich zusammengezuckt. So resigniert hatte sie Cornelius noch nie erlebt. Was die Angelegenheit noch schwieriger machte – er lehnte jegliche finanzielle Hilfe ab. Sie wusste nicht genau, wie er sich das Geld beschafft hatte, um Christian auszulösen, sicher hatte er sein eigenes Vermögen dazu verwendet und darüber hinaus einen Kredit aufgenommen. Außerdem gingen die Geschäfte schlecht. Die Umbruchstimmung machte die Leute nicht gerade geneigt, Geld für Bücher auszugeben. Es waren wieder Kontributionen zu zahlen, Einquartierungen zehrten am Haushaltsgeld, und viele Männer standen entweder im Feld, waren gefallen oder verwundet.
Trotzdem, Cornelius war ein Kämpfer. Dass er jetzt so gar keine Pläne hatte, überraschte sie. Obwohl – einen Plan verfolgte er wohl doch. Das Gemunkel behauptete, er bemühe sich derzeit um eine sehr reiche, sehr hübsche Witwe.
Ihr hingegen hatte er den Schlüssel zur Druckerei gegeben, damit sie jederzeit Zugang zu den Unterlagen auf seinem Schreibtisch hatte, und so lief sie, mit einem Handlicht bewaffnet, über die Straße. Verdutzt bemerkte sie hinter den geschlossenen Läden ein Lichtchen flackern. Sollte Thomas vergessen haben, die Lampen zu löschen? Das wäre aber sehr unachtsam, überlegte sie, und überhaupt nicht seine Art. Energisch drehte sie den Schlüssel im Schloss um und stieß die Tür auf. Der Eingangsbereich und die Treppe waren dunkel, aber in der Werkstatt brannte Licht.
»Hallo! Wer da?«
Ein kleiner, krummbeiniger Mann steckte seine lange Nase aus der Tür. »Nur ich, Fräulein Waldegg. René.«
»Ach Sie sind’s! Was tun Sie hier?«
»Hab ein paar Probeabzüge zu machen, Fräulein. Der Herr Bruder hat es erlaubt.«
»Schon recht. Ich muss noch mal an die Lithografien, um etwas nachzuschauen. Lassen Sie sich nicht stören.«
Sie ging auf die Ecke zu, wo Susanne ihr Werkzeug aufbewahrte, und begutachtete die zu beschreibenden Geräte, während hinter ihr der Kupferstecher energisch Papier zerriss. Vermutlich war der Druck nichts geworden.
»So, ich bin schon fertig, René. Arbeiten Sie nicht mehr so lange, und gute Nacht.«
»Gute Nacht auch, Fräulein.«
»Ich lasse die Tür offen, schließen Sie später zu. Vergessen Sie nicht, das Licht zu löschen.«
»Nein, bestimmt nicht.«
Aber irgendwie war Antonia beunruhigt. Normalerweise war Cornelius oben und hatte einen Blick auf das, was in der Werkstatt unter ihm passierte. Eine Stunde später warf sie sich den Umhang wieder über und lief zur Druckerei. Noch immer brannte Licht, und die Tür war unverschlossen. René arbeitete weiterhin, sie hörte das Quietschen der Tiegelpresse. Sie ließ die Tür laut ins Schloss fallen.
»Probeabzüge«, murmelte sie. »Mhm.«
Am nächsten Morgen kam die Meldung, die Verbündeten hätten am 31. März Paris eingenommen und Napoleon habe abgedankt. Jubel herrschte in den Straßen, und spontane Feiern wurden ausgerichtet. Elena und Antonia gaben den Dienstboten frei, blieben aber im Haus.
»Mir ist nicht danach zu feiern, Maman.«
»Nein. Toni, das verstehe ich. Es ist... Ja, es ist etwas zusammengebrochen.«
»Ja, es ist – wieder einmal – etwas zusammengebrochen. Vielleicht war es an der Zeit, aber es war nicht alles schlecht, was dieser Mann erreicht hat. Sie nennen ihn jetzt das korsische Ungeheuer, aber im Dezember haben sie hier genauso laut den Jahrestag seiner Krönung bejubelt, wie jetzt seinen Untergang. Wahrscheinlich wird ihm erst die Geschichte wirklich gerecht werden.«
Anschließend ging Antonia nach oben und sang Sebastienne französische Wiegenlieder vor.
Am Abend allerdings bat sie Elena, sich um die Kleine zu kümmern. Sie wollte sich in Cornelius’ Arbeitszimmer setzen, um dort
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