Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
als ich.«
»Richtig, ich kümmere mich darum. Gibt es irgendeinen weiteren Anhaltspunkt?«
»Nun ja, das Haus an der Hahneporz ist sehr ruhig, behauptet man. Nur sehr distinguierte Herren spielen dort. In der Gertrudenstraße gibt es auch einige Frauen, die für Unterhaltung sorgen.«
»Was für Christian ein weiterer Anziehungspunkt hätte sein können. Kann man so ohne Weiteres in diese Clubs gehen und spielen?«
»Aber wo denkst du hin? Nein, man braucht einen Bürgen, eine Empfehlung, jemand, der dort bekannt ist, muss einen einführen, und der Patron muss zustimmen.«
»Also muss Christian jemand mitgenommen haben. Puh, es wird schwierig herauszufinden, mit wem er sich herumgetrieben hat. Er ist ein sehr kontaktfreudiger Bursche.«
»Tja, das glaube ich auch.«
»Weißt du, wie der Patron heißt, der das Haus führt?«
Maddy kicherte.
»Toni! Glaubst du, der trägt seinen Namen auf einem Schild umher? Nein, die Herren halten sich sehr bedeckt. Den an der Hahneporz nennt man den Bischof und den von Gertruden den Erlkönig.«
»Ha!«, entfuhr es Antonia. »Schon haben wir ihn.«
»Wie das?«
»Weil, meine findige Zofe, Jung-Christian, als wir ihn, trunken und unglücklich, zu Bett brachten, murmelte: ›Erlkönig hat mir ein Leids getan.‹ Ich dachte, er zitiert aus dem Gedicht, aber das wirft jetzt ein völlig anderes Licht auf die Sache. Gut, wir sind ein Stück weiter. Nun sollten wir Haus und Erlkönig unter die Lupe nehmen.«
»Was hast du vor, Toni?« Maddy klang alarmiert.
»Zum Beispiel das Haus beobachten und sehen, wer da aus und ein geht. Vielleicht erkenne ich ja einen Bekannten.«
»Du kannst dich nicht in der Dunkelheit an die Straßenecke stellen und die Männer begaffen. Was glaubst du, wie schnell du ein paar interessante Angebote bekommst?«
»Mh.«
»Lass mich mal machen. Ich will sehen, ob ich mit einer von Erlkönigs Töchtern ins Gespräch komme. Ich werde meine ehemalige Arbeitgeberin mal besuchen und hören, ob sie etwas weiß.«
Damit musste sich Antonia zufrieden geben. Dennoch – Renés heimliche Druckerei und das Wissen um des Erlkönigs Haus ergaben eine brisante Mischung, die Cornelius mit Bestimmtheit aus seiner Resignation reißen würde. Antonia beschloss, am nächsten Tag einen Ausflug nach Sürth zu machen.
Es war ungewöhnlich warm geworden, und der Ritt am sonnigen Rheinufer entlang erfüllte Antonia mit einer unbestimmten Heiterkeit. Eigentlich hatte sie befürchtet, von schwermütigen Erinnerungen an das vergangene Jahr heimgesucht zu werden, aber die Genugtuung, etwas für Cornelius tun zu können, lenkte sie sehr gründlich von jeglicher aufkommenden Traurigkeit ab. Ein leichter Wind zauste ihre Haare und wehte alle trüben Gedanken mit sich fort. Sie sah von Weitem, dass rege an dem Haus gebaut worden war. Das Strohdach war durch eine Schieferbedeckung ersetzt worden, die Läden frisch gestrichen, die im Herbst gesetzten Zwiebeln füllten den Garten verschwenderisch mit Narzissen und Tulpen. Am hinteren Ende des Grundstücks aber war das Gerüst eines Pavillons hochgewachsen. Sie band ihr Pferd an den Zaun und ging über den gekiesten Weg dorthin, denn oben auf dem Gerüst stand Cornelius und hämmerte mit mächtigen Schlägen einige Planken zusammen. Er hatte sein Hemd ausgezogen, die Hosenbeine aufgerollt und arbeitete barfuß auf den Balken. Seine Haare hatte er wieder zusammengebunden, aber sie lösten sich bereits aus dem Zopf, und sein Rücken war braun gebrannt. Antonia beobachtete, wie sich seine Muskeln unter der schweißglänzenden Haut bewegten.
Mitten auf dem Weg blieb sie jäh stehen. Es war, als habe ihr jemand einen Schleier vor den Augen fortgezogen. Das Licht veränderte sich plötzlich, die Zeit nahm einen anderen Rhythmus an, und es schien, als ob alle Geräusche verstummt wären.
»Cornelius?« Sie hatte es nicht laut ausgesprochen. »Cornelius?« Aber es sang in ihr, und eine große Wärme breitete sich in ihr aus. »Cornelius!«
Sie wusste nun, in diesem Augenblick, wem ihre Liebe schon immer gegolten hatte. Ihrem Bruder, ihrem Freund – und wenn es jetzt nach ihr ginge, auch ihrem Geliebten. Es war völlig anders als das, was sie Sebastien gegenüber gefühlt hatte. Kein Mitleid, keine Sanftheit, nicht der Wunsch zu trösten und zu heilen lag darin, sondern heißes Verlangen und ursprüngliches Begehren.
Er musste geahnt haben, dass sie dort stand, denn nach dem letzten Hammerschlag drehte er sich um und sah ihr
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