Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
und Cornelius’ Gesicht wurde plötzlich völlig ausdruckslos.
»Ich habe mich nur mit Mühe zurückhalten können, ihn zur Rede zu stellen. Ich hätte es wohl besser getan. Ihn in flagranti...«
»Es war sehr klug, es nicht zu tun, Toni. Er ist lange nicht so harmlos, wie er aussieht.«
»Ja, das dachte ich dann auch.«
»Der Club bezieht mit Sicherheit seine Karten von autorisierten Verlagen, um dem Vorwurf des Falschspiels vorzubeugen. Wenn René Spielkarten herstellt, dann kann es sich nur um einen privaten Auftrag handeln.«
»Oder eine Eigeninitiative?«, stellte Antonia in den Raum.
»Möglich. Aber nicht wahrscheinlich.«
»Kann man überhaupt eigene Karten in einen solchen Club mitbringen?«
Cornelius schnaubte verächtlich. »Was meinst du, was ich damals gemacht habe?«
»Weshalb wir auch annehmen können, dass Renés Karten auf irgendeine Weise gekennzeichnet sind?«
»Davon können wir ausgehen. Verdammt, Toni, das war eine ordentliche Leistung. Wenn es da einen Zusammenhang gibt, dann könnten wir nachweisen, dass Christian von einem Falschspieler ausgenommen worden ist. Wenn ich herausfinde, wer das ist, dann werde ich ihm die Haut in kleinen Fetzen abziehen.«
Antonia sah in sein grimmiges Gesicht und nickte zufrieden. Sie hatte erreicht, was sie wollte, er war aus seiner Resignation aufgewacht.
»Wie willst du das herausfinden?«
»Indem ich René befrage.«
»Der wird dir nicht ohne Weiteres die Wahrheit verraten.«
»Ich darf das bekannte Gedicht noch einmal bemühen, meine Liebe: ›Und ist er nicht willig, so brauch ich Gewalt‹.«
»Mhm. Du bist auch nicht so harmlos, wie du aussiehst.«
»Nein.«
Sie legte den Kopf schief und betrachtete ihn. »Eigentlich siehst du auch nicht harmlos aus.«
»Nein?«
»Manchmal, denke ich, verbirgt sich in dir ein gewalttätiger Mann.«
Er strich ihr sacht über die Wange. »Notwendigerweise, manchmal. Aber nie dir gegenüber, Toni.«
Sie zog sich vorsichtig von seiner streichelnden Hand zurück und schlug die Augen nieder. Cornelius erhob sich.
»Ich denke, das Gartenhäuschen wird noch ein paar Tage auf seine Fertigstellung warten müssen. Ich werde mit dir nach Köln zurückreiten.«
»Fein.«
Ein lieber Freund und Kupferstecher
Du danke Gott, wenn er dich presst,
Und dank ihm, wenn er dich wieder entlässt.
Talismane, Goethe
Antonia war heilfroh, sich in Aktivitäten zu stürzen, denn ihre neue Erkenntnis raubte ihr die Ruhe. Sie versuchte, so gut es ging das Gefühl zu betäuben, das Cornelius am Tag zuvor bei ihr geweckt hatte, denn kaum eine Liebe konnte hoffnungsloser sein. Sie war ja nur seine kleine Schwester, und eine schöne reiche Witwe wartete darauf, die Seine zu werden. Sie verstärkte also ihre Bemühungen, ihm wenigstens eine Freundin zu sein und mehr über diesen dubiosen Erlkönig herauszufinden.
Maddy hatte keinen Erfolg gehabt, die Identität der gefälligen Damen in Erlkönigs Reich zu lüften, aber sie kam am nächsten Tag mit einem anderen, wie Antonia fand, überdenkenswerten Vorschlag.
»Man muss es sauber machen.«
»Wie wahr!«
Daher standen sie am frühen Vormittag in schlichter Dienstbotenkleidung in der Gertrudenstraße, jede einen Korb mit Blumensträußchen am Arm, die sie geschäftigen Passanten für ein kleines Entgelt zu verkaufen vorgaben, und hatten ein Auge auf das ansehnliche Haus, hinter dessen ehrbarer Fassade die nächtlichen Spiele getrieben wurden. Mit ihrem schlichten Hinweis hatte Maddy ihr nämlich eine Gelegenheit genannt, wie man mehr über das Etablissement erfahren konnte. Sie beobachteten so unauffällig wie möglich den Dienstboteneingang. Es kamen Lieferanten, die ein livrierter älterer Herr einließ. Bierfässer wurden gebracht, Kisten mit Wein geliefert, Wäschekörbe abgeholt, und der Kohlenkutscher lud seine schwarz staubende Ladung im Hinterhof ab. Hausmädchen schien es jedoch nicht zu geben, denn niemand hatte bisher Asche und Abfälle herausgebracht, Fenster geöffnet, Decken gelüftet oder Besen geschwungen.
»Sie haben keine festen Bediensteten, außer dem Majordomus. Irgendwann werden die Putzfrauen kommen.«
Sie hatten vor, sich diese Frauen zu merken und sie später auszufragen. Doch es ergab sich eine weit bessere Gelegenheit. Denn gegen zehn kam gemächlich eine Frau angeschlendert, die Antonia ein erstauntes Glucksen entlockte.
»Die Fussije Ida. Was macht die denn hier?«
»Da sie soeben das Haus durch den Dienstboteneingang betritt,
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