Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
etwas nachzuschlagen, behauptete sie. Aber eigentlich hatte sie vor herauszufinden, was der Kupferstecher so lange zu arbeiten hatte. Denn sein Verhalten kam ihr im Nachhinein doch sehr eigentümlich vor. Er hatte immer mit dem Rücken zur Druckerpresse gestanden, und es hingen keine feuchten Abzüge auf den Leinen. Außerdem – Probeabzüge hatte er bisher immer mit der Handpresse vorgenommen. Sie hoffte, er würde an diesem Abend wiederkommen und Cornelius’ Abwesenheit nutzen, um seine heimlichen Arbeiten weiterzuführen.
Sie zündete kein Licht an, sondern legte sich abwartend auf das schmale Bett und döste vor sich hin.
Das leise Knarren der Haustür weckte sie, vorsichtig trat sie an den Treppenabsatz und lauschte. Ja, René war wiedergekommen. Aus den Geräuschen schloss sie, dass er eine Druckplatte in die große Presse einlegte. Es war anstrengend, alles alleine machen zu müssen – Papier einlegen, Druckerfarbe aufstreichen, Presse betätigen, Papier herausnehmen. Sie kannte die Abläufe inzwischen gut genug. Er auch. Er arbeitete zügig, wusste sichtlich, wo alles zu finden war und bediente sich großzügig an den Vorräten.
Schon alleine das konnte man ihm zum Vorwurf machen.
Sie bedauerte, nicht von oben den Werkstattraum einsehen zu können, aber sie hoffte, dass René irgendwann in den Lagerräumen verschwinden würde, denn sie wollte einen Blick auf das erhaschen, was er dort so eifrig anfertigte.
Das Warten wurde ihr lang, der Mann hatte eine unermüdliche Ausdauer, und anscheinend war alles, was er benötigte, bei der Hand. Aber schließlich wurde ihre Geduld belohnt. Die Tür zum Hinterhof, und damit auch zum Abtritt, knarrte.
Antonia huschte lautlos die Treppe hinunter und betrat die Druckerei. Etwa zehn feuchte Druckbogen hingen an Klammern an der Leine. Zu gerne hätte sie einen mit nach oben genommen, aber schon ein Blick darauf erklärte ihr die Heimlichkeit des Unterfangens.
René druckte Spielkarten.
Sie hörte seine Schritte und verzog sich schnell und leise wieder nach oben. Ihre Gedanken rasten. Sollte sie ihn überraschen und zur Rede stellen? Oder nur ein Geräusch verursachen, um ihn zu einer überstürzten Flucht zu veranlassen?
Sie entschied sich dagegen, obwohl sie zu gerne nach unten gestürmt wäre. Aber der Mann war, genau wie Cornelius, lange im Arbeitslager gewesen. Und hatte überlebt. Er mochte zwar wie ein trauriger Dackel aussehen, aber er musste zäh, vermutlich sogar gefährlich sein. Nein, sie beschloss zu warten, bis er fort war, und würde dann die Werkstatt durchsuchen.
Es dauerte bis Mitternacht, bis der Kupferstecher endlich die Tür hinter sich zuzog. Sie wartete eine Weile, um sicherzugehen, dass er sich auch wirklich entfernt hatte. Dann betrat sie den Raum. Er hatte ihn sehr ordentlich hinterlassen und sogar alle Handvorräte wieder aufgefüllt. Dass Papier oder Farbe fehlten, würde Thomas erst feststellen, wenn er das Lager kontrollierte. Die Presse war sauber, die Abfallkörbe leer.
Morgens rief sie Maddy zu sich.
»Ich dachte schon, gnädiges Fräulein, Sie würden gar nicht mehr fragen«, hatte die kleine Zofe anerkennend gesagt. »Ich hab mir natürlich Gedanken gemacht, seit der junge Mann hier so abgebrannt aufgetaucht ist. Gespielt wird natürlich bei den üblichen gesellschaftlichen Veranstaltungen, aber gewöhnlich nicht um so hohe Einsätze.«
»Nein, das riecht viel zu sehr nach professionellem Spielen. Aber wo treffen sich die Spieler, Maddy? Ich lebe, wie ich merke, inzwischen in einer viel zu behüteten Atmosphäre. Ich habe keine Ahnung.«
»Bleiben Sie nur da, wo Sie hingehören, gnädiges Fräulein. Die zwielichtigen Welten sind nicht besonders gemütlich. Immerhin habe ich mich mal umgehört. Es gibt drei Häuser, in denen private Spielclubs tagen. Das eine befindet sich hinterm Berlich, das andere an der Hahneporz und das dritte in der Gertrudenstraße. Ich persönlich würde das am Berlich ausschließen, es ist eine echte Spielhölle, in der es ziemlich derb hergeht. Aber die Männer, die dort spielen, können sich solche Beträge, wie die, die der arme Junge verloren hat, gar nicht leisten.«
»Also die Hahneporz und Gertrude. Was weißt du über die Häuser? Wem gehören sie?«
»Wem sie gehören, hat nichts damit zu tun, wer sie betreibt, gnädiges Fräulein.«
»Die Gnädige hustet dir gleich was, Maddy.«
»Schon gut, Toni. Du wirst es sicher schneller herausfinden, unter welchem Namen sie eingetragen sind,
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