Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
sollten wir vermuten, dass sie zu den Putzfrauen gehört.«
»Tja, Maddy, so sieht das Ende einer ruhmreichen Karriere als Trottoirschwalbe aus.«
»Sie hat sich nie an ihre Tochter oder ihren Schwiegersohn gewandt, was?«
»Ich glaube, Kormanns haben ihr die Furcht Gottes eingebläut. Warten wir mal ab, was weiter passiert.«
Der Fussijen Ida oblag tatsächlich die Säuberung des Hauses. Kurz nach ihrem Eintreffen öffneten sich die oberen Läden, Kissen wurden auf die Fensterbänke gelegt, Waschschüsseln mit Schwung auf die Straße entleert und ein Mopp ausgeschüttelt. Der Majordomus, jetzt in strengem Überzieher und Hut, verließ das Gebäude, und Antonia nickte Maddy zu.
»Wir werden die Fussije Ida jetzt gleich befragen, der Augenblick ist günstig. Hier, nimm meine Blumen in deinen Korb. Ich komme gleich wieder.«
Es gab in der Nähe des Neuen Marktes eine exklusive Konditorei, und hier erwarb Antonia, vorgeblich ein diensteifriges Hausmädchen, einen Korb voll unterschiedlichster Leckereien für ihre Herrschaft, die nachmittags eine große Teeeinladung geplant hatten. Dann forderte sie Maddy auf: »Unterhalte du dich mit ihr, ich will nicht, dass sie sich irgendwann an mich erinnert. Du kannst behaupten, du wärst das Ladenmädchen, das die Pralinés für die Herrschaften bringt. Lad sie ein, davon zu kosten. Hier, diese dunklen sind mit Liqueur gefüllt. Biete ihr besonders die an. Du bleibst besser bei Krokant und Marzipan.«
»Was für ein genussvoller Auftrag«, kicherte Maddy.
»Sag das nicht, wahrscheinlich wirst du, wenn du mit ihr fertig bist, ein Jahr lang kein Praliné mehr sehen können.«
»Gut, was soll ich sie fragen?«
»Vor allem, ob sie den Erlkönig kennt. Wenn nicht den, dann, ob sie einige der Herren kennt, die hier ein und aus gehen. Die Fussije Ida wird eine handverlesene Bekanntschaft haben.«
Mit einem spitzbübischen Lächeln übernahm die kleine Zofe den Korb und machte sich auf den Weg zum Haus. Ida öffnete ihr und schien ihr ohne Misstrauen ihre Rolle abzunehmen. Maddy verschwand für geraume Zeit, und Antonia wanderte langsam die Straße auf und ab und vermied es, wenn es eben ging, ihre Blumen zu verkaufen, um nicht zufällig erkannt zu werden.
Um die Mittagszeit trat Maddy wieder auf die Straße, und diesmal lächelte sie sogar noch breiter. Der Korb war leer.
»Lass uns verschwinden, Toni. Hier will ich nicht reden!«
»Hattest du Erfolg mit deiner Befragung?«
»Und wie!«
Zur selben Zeit fand eine andere Befragung statt, die aber weit weniger freundschaftlich ablief. In der Druckerei tauchte an diesem Vormittag René in aller Unschuld auf, um eine Kupferplatte mit Anzeigen für den Gesellschaftskalender abzuliefern. Thomas, der eingeweiht war, ließ sofort bei seinem Erscheinen Cornelius rufen.
»Ah, René, auf dich habe ich gewartet«, begrüßte er den Kupferstecher und schlug ihm kurz und präzise die Faust auf das Kinn. Benommen strauchelte der Mann, doch Thomas hatte ihn schon aufgefangen.
»Presse auf!«, befahl Cornelius dem Gesellen. Der, verdattert, aber hilfsbereit, tat, wie ihm geboten wurde.
»Papier raus!« Das Papier verschwand.
Thomas schob René in Richtung Presse, Cornelius nahm seine Arme in festen Griff, schob sie zwischen Druckplatte und Presse und kommandierte: »Presse zu!«
»Aber...?«
»Presse zu!«
Der Geselle drehte mit weit aufgerissenen Augen den Pressbengel nach unten. Als Renés Hände festgeklemmt waren, befahl Cornelius: »Stopp!«
Der Kupferstecher war wieder zu sich gekommen und begann zu kreischen.
»Halt die Klappe, René, oder du verlierst auch noch den Rest deiner faulen Zähne!«
Cornelius’ seltsam zweigeteiltes Gesicht schien auf einmal zu einem zu verschmelzen, und es drückte keine der Seiten irgendeine wie auch immer geartete Form der Milde aus.
»Ich habe ein paar Fragen an dich, René. Und ich habe nicht sehr viel Zeit und Geduld, mir Lügen anzuhören. Also antworte mir kurz und klar, sonst wirst du mit deinen Händen nie wieder einen Kupferstich herstellen können. Ich würde sogar darauf wetten, dass du noch nicht einmal mehr selbst deinen Hosenlatz aufbekommst. Haben wir uns verstanden?«
Mit heller Panik in den Augen nickte der schmächtige Franzose.
»Du hast vor drei Tagen hier nachts gedruckt, richtig?«
»Du hast es erlaubt, Cornelius!«
»Probeabzüge habe ich erlaubt. Aber du hast die große Presse benutzt. Und dich aus unseren Vorräten bedient.«
René schluckte trocken.
»Was
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