Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
Ihnen gestatten, unter Aufsicht einige persönliche Kleinigkeiten mitzunehmen.«
Zwei Gerichtsdiener sowie David und Cornelius begleiteten die Kormanns zum Neuen Markt, Antonia und Elena saßen erschöpft vor Joubertins Schreibtisch. François reichte ihnen jeweils ein Glas Sherry. »Das war ein gelungenes Stück Schauspielkunst«, bemerkte er.
»Ich weiß nicht, François. Wir hatten es nicht abgesprochen.«
»Nicht?«
»Nein«, bestätigte Elena. »Cornelius wollte Blut sehen. Aber es ist besser so.«
»Ja, Maman, es ist besser so.«
»Du hast ihm nicht verziehen.«
»Nein, wie könnte ich ihm verzeihen? Ich bin die falsche Adresse dafür. Ich verdanke ihm mein Leben.« Müde legte Antonia ihren Kopf an die Schulter ihrer Mutter.
Die Abwicklung rund um Kormanns Vermögen verlief verhältnismäßig einfach, wenn auch langwierig. Cornelius und David hatten einen gebrochenen Mann und eine zutiefst verbitterte Frau in das Haus am Neuen Markt begleitet, wo sie unter ihrer Aufsicht zwei Taschen packen durften. Das Kindermädchen war mit Sohn und Tochter zu Kormanns Eltern geschickt worden, das Paar würde in ein einfaches Hotel ziehen. Die Übergabe des Schmucks gestaltete sich noch einmal dramatisch. Schatulle um Schatulle wurde geöffnet, der Inhalt aufgezeichnet. Zwei Mal versuchte Charlotte, Teile davon in ihrem Ausschnitt verschwinden zu lassen. Man musste die Zeternde schließlich mit Gewalt aus dem Raum zerren. Im Nachhinein aber stellten sie dann fest, dass doch ein Teil des Brillantschmucks fehlte, und es überraschte Cornelius selbst, dass er darüber eine gewisse Erleichterung verspürte. Es würde einem Lebenskünstler wie Kormann helfen, irgendwo eine neue Existenz aufzubauen.
Einige Tage nach dem denkwürdigen Auftritt war François Joubertin an ihn herangetreten und hatte ihm ein sehr anständiges Angebot für das Haus am Neuen Markt gemacht. Marianne und er brauchten ein präsentables Heim, und Jonathan Geißler hatte sich erboten, ihm bei der Finanzierung behilflich zu sein. Vier Wochen später konnte Cornelius seinen eigenen Kredit zurückzahlen und befand sich wieder in einigermaßen akzeptablen Verhältnissen.
Sie besserten sich weiter, als er über den Buchhändler Rieker die Jahresabrechnungen aus Leipzig erhielt. Tatsächlich hatten sich trotz der Kriegswirren seine Bücher nicht ganz schlecht verkaufen lassen. Charlottes Schmuck loszuwerden, erwies sich als schwieriger. Die Juweliere zeigten sich nicht geneigt, die Stücke zu einem akzeptablen Preis aufzukaufen. Also hatte Elena versucht, ihn ihren Bekannten anzubieten, aber die Damen standen den protzigen Pretiosen nicht aufgeschlossen gegenüber. Einen Großteil aber hatte dann Isabetta, die einen völlig anderen Kreis von Freundinnen besaß, erfolgreich veräußert – gegen eine kleine Provision, wie sich verstand.
Mit seinem geschäftlichen Leben war er zufrieden, anderes nagte an ihm. Er hatte auch Antonia gegenüber ein Versprechen gegeben, und bedauerte es sehr, dass er es wegen der Vorkommnisse aufschieben musste.
Sie hatten sich nämlich sehr lange über die Dompläne unterhalten. Antonia war in der Sache nicht untätig geblieben, wie er dabei erfuhr. Sie hatte noch einmal alle Archivare angeschrieben, die sie auf ihrer abenteuerlichen Tour vor vier Jahren getroffen hatte, und noch einige andere darüber hinaus, in der Hoffnung, die Pläne könnten doch bei dem einen oder anderen wieder aufgetaucht sein. Die Antworten gaben keinen Anlass zu Hoffnungen. Aber sie hatte einen beachtenswerten Schluss daraus gezogen.
»Weißt du, Cornelius, ich glaube, es liegt daran, dass niemand so wie wir die Wichtigkeit dieser Zeichnungen erkennt. Mir erschienen sie damals ja auch vollkommen uninteressant. EineRollestockfleckigesPergamentohneHerkunftsbezeichnung, ohne Signatur eines bekannten Künstlers, die Zeichnung von einem Kirchturm, den niemand kennt. Wäre es der Plan des Straßburger Münsters oder Notre Dames gewesen, hätte er vielleicht sogar Aufmerksamkeit erregt. So beachtete ihn vermutlich keiner. Ganz abgesehen davon gab es damals ein Überangebot an wertvollen Handschriften, prächtig und bunt illuminiert, in kostbaren Einbänden. Das weckte das Verlangen, darum haben sich die Fürsten gestritten, die sich in Darmstadt trafen, um das Fell zu verteilen.«
»Einleuchtend, Toni, aber was willst du damit sagen?«, hatte Cornelius gefragt.
»Die Pläne sind nach Darmstadt gelangt, das habe ich ja in Altenkleusheim
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