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Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Stoff. Dabei bewunderte sie wiederum die vollkommen ebenmäßigen, feinen Stiche der Durchbrucharbeit.
    »Wo haben Sie nur gelernt, solch delikate Stickereien zu machen, Frau Waldegg?«
    »Im Kloster. Man lernt dort, mit Sorgfalt und Geduld zur höheren Ehre Gottes zu arbeiten.«
    »Sie sind im Kloster zur Schule gegangen?«
    »Nicht nur das, Fräulein Bernsdorf. Ich gehörte von meinem fünfzehnten bis zu meinem fünfundzwanzigsten Lebensjahr dem Orden der Benediktinerinnen an.«
    Das Rezept für Pralinen wurde noch mit einer Portion zu verarbeitender Gedanken gewürzt. Schweigsam arbeitete Susanne aber weiter an der auffliegenden weißen Taube.

Wiedersehen und Abschied
     
    Seele des Menschen,
wie gleichst du dem Wasser!
Schicksal des Menschen,
wie gleichst du dem Wind!
    Gesang der Geister über dem Wasser, Goethe
     
     
    Traurig betrachtete Toni die weiße Taube, die blutüberströmt vom Himmel gefallen war. Hatte es nicht schon genug Tod gegeben, mussten diese Soldaten nun auch noch auf harmlose Vögel schießen?
    Zwei Wochen nach dem Gefecht bei Schleiz war Toni wieder einmal auf der Suche nach Nahrungsmitteln. Sie hatten bei Jena eine entsetzliche Schlacht hinter sich, und nun jagte das französische Heer ohne Rücksicht auf eigene Verluste die Preußen wie die Hasen nordwärts. Der Tross folgte notgedrungen, und sie musste jeden Tag aufs Neue lernen, ihre Gefühle im Zaum zu halten. Gefallene und Verwundete traf man überall. Kaum einem konnte man helfen. Pferde mit aufgedunsenen Bäuchen säumten die Wege, Tornister, aufgerissen und ausgeräumt, zerbrochene Gewehre, verbogene Säbel, rostende Bajonette – alle Arten von Bagage lag in den Gräben, die von Preußen, Sachsen und den eigenen Leuten. Auch die Beute aus den Plünderungen. Die seltsamsten Gegenstände fanden sich im Straßenkot. Bilder, Geschirr, Bücher, Hausrat, sogar Puppen, wohl einem kleinen Mädchen entrissen, Strumpfbänder und Rosenkränze. Manchmal bückte sie sich danach, Weniges hob sie auf. Elisabeth ignorierte diese Dinge ebenfalls, Julia, die Marketenderin, die sich in ihrer Nähe befand, hingegen sammelte eifrig.
    Jupp und Franz ritten, noch immer bei guter Gesundheit, an der Spitze der Truppen, sie bekamen sie daher nicht zu sehen. Nur einmal, kurz nach der Schlacht bei Jena, waren sie vorbeigekommen, rußig vom Pulverrauch, erschüttert von dem Tod und der Verwüstung, aber bis auf einige kleine Schrammen und Prellungen unverletzt. Sie berichteten, Colonel Renardet würde sich, da er wegen seiner Verwundung bei dem Gewaltritt, den Murat vorhatte, nicht mithalten konnte, den Einheiten des Feldmarschalls Ney anschließen. Sie wollten bei ihm bleiben, da er auf ihre Dienste als Aufklärer nicht verzichten mochte. Vereinzelt waren sie in Rückzugsgefechte verwickelt worden, verfolgten aber zielstrebig die fliehenden Truppen Richtung Norden und waren nun nahe bei Magdeburg.
    Diese Hetzjagd war mit dem Marketenderwagen nicht durchzuhalten, und es war dringend notwendig, einige Tage zu verschnaufen, um ihre Vorräte zu ergänzen. Sie hatten gute Geschäfte gemacht, aber ihre Mutter, fand Toni, wirkte unzufrieden. Oder vielleicht immer bedrückter. Sie war mager geworden, aber das waren sie schließlich alle, und ihr Gesicht hatte harte Züge bekommen.
    Die herbstlichen Winde fegten über das Land, die Felder waren abgeerntet, die Blätter verfärbten sich. Die Tage waren weiterhin warm und klar, in den Nächten aber rückten Mutter und Tochter eng zusammen, um sich gegenseitig zu wärmen, und Decken waren begehrte Luxusartikel geworden.
    An diesem Tag hatten sie Glück gehabt. Von einem Bauern konnten sie Mehl und Erbsen kaufen und sogar einen Vorrat an geräucherten Würsten. Mit den Säcken beluden sie das Pferdchen und führten es, nebeneinander gehend, zu ihrem Lagerplatz zurück.
    »Mama, was bedrückt dich?«, fragte Toni plötzlich. Sie hatten selten Zeit für sich gehabt in den zwei vergangenen Wochen. Aber hier, auf dem einsamen Feldweg, fiel Toni die schweigsame, grüblerische Art ihrer Mutter besonders auf.
    Elisabeth seufzte leise: »Wir werden heute und morgen zurückbleiben, es ist an der Zeit, Wäsche zu machen.«
    Das war zwar keine Antwort auf ihre Frage, aber Toni ahnte, dass sie später eine Erklärung bekommen würde. Wenn sie alleine waren. Erst mussten sie ihre Tauschgeschäfte mit Julia abwickeln, die zwischenzeitlich auf ihren Wagen geachtet hatte. Ein Schock 6 Eier, ein paar Würste, eine halbe Speckseite

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