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Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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wechselten die Besitzerin, dafür erhielten sie ein Fässchen Branntwein und einen Beutel Knöpfe. Letzteres war begehrte Währung.
    »Zieht ihr voran, Julia! Wir bleiben bis morgen zurück. Hier ist es abgeschieden genug, um einen Tag zu rasten.«
    »Passt auf euch auf, Elisabeth. Es gibt Marodeure und Deserteure auf allen Seiten.«
    »Ich weiß.«
    Es waren verzweifelte Männer, auf der Flucht, hungrig und ums Überleben kämpfend. Ein einsamer Marketenderwagen war leichte Beute für sie.
    »Hier, Toni! Du kannst damit umgehen.« Julia reichte Toni eine Pistole und den zugehörigen Munitionsbeutel. »Ich habe vier Stück davon gefunden. Wir sehen uns dann in zwei, drei Tagen wieder. Es sieht nicht so aus, als ob hier neue Kampfhandlungen bevorstünden.«
    Der Planwagen der anderen Marketenderin ruckelte davon. Der Train mit seinen Bagage- und Munitionswagen, den Geschützen, dem Werkzeug- und Sanitätstross und den Reservepferden war weit vorausgezogen und hatte eine breite Spur auf dem Feldweg hinterlassen. Mehrere Hundert Fahrzeuge begleiteten die Soldaten.
    Elisabeth spannte das Pferdchen an, um ihren Wagen in den Schutz eines kleinen Hains zu lenken, durch den erfreulicherweise ein Bächlein floss.
    Es war noch früh am Tag, und bald hatten sie den Kessel, der ansonsten zum Suppenkochen diente, mit heißer Aschenlauge gefüllt und weichten darin ihre Kleider ein. Es war bitter nötig. Viel hatten sie nicht mitnehmen können, und seit Wochen hatte es kaum Gelegenheit gegeben, das Nötigste zu waschen. Das galt auch für sie selbst.
    Mit ihren kurzen Haaren war Antonia mit ihrem Bad schnell fertig, aber Elisabeth, die es nie über sich gebracht hatte, die langen, rotbraunen Flechten abzuschneiden, brauchte eine ganze Weile, um sie zu waschen. Schließlich war es ihre Tochter, die ihr die nassen, verknoteten Haare mit dem Kamm entwirrte. Die Nachmittagssonne war jetzt bis zum Lagerplatz gewandert, und um sie herum herrschte eine ungewohnte Stille. Die Truppe war weitergezogen, kein Singen und Fluchen, kein Trommeln zum Aufbruch, kein Wiehern und Stampfen, keine gebrüllten Befehle und vor allem kein Geschütz- oder Musketenfeuer war zu hören. Nur einige Saatkrähen erhoben sich krächzend von den Feldern, und in der alten Buche keckerte ein rotes Eichhörnchen. Manchmal segelte ein vertrocknetes Blatt aus den Ästen nach unten und fiel auf den moosigen Boden.
    »Es sind einige neue graue Strähnen darin, Mama«, stellte Toni fest und versuchte, eine besonders hartnäckige Klette zu entfernen.
    »Ich bin ja auch schon einundvierzig Jahre alt. Aber ich habe noch alle Zähne, was stören mich da ein paar graue Haare!«
    »Sie stören nicht.«
    In der warmen Herbstsonne schloss Elisabeth müde die Augen und überließ sich der Fürsorge ihrer Tochter. Aber als eine Böe durch die Zweige rauschte, seufzte sie noch einmal: »Heute ist Sankt-Ursula-Tag.«
    »Ich weiß.« Mit einem leise mahnenden Gewissen dachte Toni an das bemalte Pergament, das zu Hause in ihrer Truhe verborgen lag. Sankt Ursula würde heute einige besonders innige Gebete zu hören bekommen.
    »Es ist ein wichtiger Tag für mich, Antonia.«
    »Das weiß ich auch, Mama.«
    »Ja, aber du weißt nicht, warum.«
    »Ich dachte, weil du unsere gute Heilige so sehr verehrst.«
    »Das auch, natürlich. Vor allem aber, weil sie mir an diesem Tag vor beinahe sechzehn Jahren meinen größten Wunsch erfüllt hat.«
    Toni hielt im Kämmen inne. Vor sechzehn Jahren war sie geboren, doch nicht am Ursulatag, sondern kurz vor Weihnachten. Ihre Mutter wirkte plötzlich wieder sehr bedrückt und sorgenvoll. Es musste da ein Geheimnis geben. Plötzlich fühlte sie eine kalte Beklommenheit aufsteigen.
    »Mama, was quält dich?«
    »Eine Last, Toni, von vielen Jahren. Und irgendwie eine böse Ahnung.«
    »Was für eine Ahnung?«
    »Wenn ich es nur besser wüsste. Ich habe oft zur heiligen Ursula gebetet. Ich habe sie um Hilfe angefleht, um Führung.«
    Toni wusste es, denn nachts holte ihre Mutter oft ihr kleines Heiligenbild hervor und sprach stumm zu ihm. Sie streichelte tröstend Elisabeths Wange und meinte: »Wir haben viel Leid und sinnlosen Tod gesehen. Und es ist noch nicht zu Ende.«
    »Nein, es ist noch nicht zu Ende. Ich weiß nicht, was diese Männer treibt, sich gegenseitig abzuschlachten. Ich verstehe weder etwas von Kriegsführung noch von Politik. Du weißt viel mehr darüber, Antonia. Du bist so viel klüger als ich.«
    Seltsam verlegen legte Toni den Kamm

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