Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
zur Ehelosigkeit verpflichtet, nicht bieten. Ich bemerkte, dass sie ihr Auge auf verschiedene mögliche Ehekandidaten warf und schwieg darüber. Unsere Beziehung war schon eine geraume Weile abgekühlt, und als sie davon sprach, Major Cattgard heiraten zu wollen, war ich nicht überrascht. Wir trennten uns in Freundschaft, und es schmerzte mich wenig. Was mich hingegen sehr schmerzte, war der Verlust von David. Sie nahmen ihn mit nach Berlin, und der Tradition der Familie Cattgard folgend, besuchte David dort die Kadettenschule.«
»War er auch unglücklich?«
»Die Trennung war nicht leicht für ihn, aber er blieb sehr tapfer. In seinen Briefen hat er sich nie beklagt. Aber wenn man zwischen den Zeilen liest...«
»Er will jetzt nicht mehr versuchen, Baumeister zu werden?«
»Es hat ihm nach einer Weile ziemlich gut gefallen, Kadett und später Offizier zu sein.«
»Jetzt wird er sein Patent vermutlich los, Herr Waldegg. Seine Fähigkeiten aber hat er noch. Wenn er so tapfer ist, wie Sie sagen, und wie ich auch den Eindruck hatte, dann wird er sich sicher darauf besinnen.« Grinsend fügte sie hinzu: »Das Leben der preußischen Offiziere wird ohnehin kein Zuckerschlecken mehr sein. Unsere Leute haben ihnen die Nase ziemlich in den Dreck gedrückt.«
Nachtgedanken
Ich blicke hinauf in der Nacht, in der Nacht, ich blicke hinunter aufs Neue: o wehe, wie hast du den Tag verbracht, nun Stille du sacht in der Nacht, in der Nacht im pochenden Herzen Reue!
Wie rafft’ ich mich auf, August von Platen
Sie mochten zwar die Nase im Dreck haben, aber die Maschinerie der preußischen Verwaltung lief noch. Das Militärgericht sollte schon im Mai über den Fall des Leutnants David von Hoven entscheiden.
Am Vorabend der Verhandlung suchten zwei Offiziere den Angeklagten in seiner Wohnung auf. Major Cattgard und Oberst von Pannewitz hatten eine lange Unterredung mit dem jungen Mann, und als sie ihn verließen, war es bereits dunkel geworden. Sie erwiderten den Gruß der zwei Soldaten, die unten vor dem Haus Aufstellung genommen hatten, um ein Auge auf das Geschehen zu haben.
David war alleine, und als die Herren gegangen waren, schenkte er sich ein Glas Cognac ein, um seine flatternden Nerven zu beruhigen. Die Erwartung dessen, was ihm am nächsten Tag bevorstand, hatte ihn wahrhaft verstört.
Die Anklage lautete auf Desertion. Der Vorwurf, er habe aus Feigheit vor dem Feind die Truppe verlassen, verschärfte sie noch. Darauf stand die Todesstrafe. Dagegen waren die Befehlsverweigerung und die Tätlichkeiten gegenüber einem vorgesetzten Offizier beinahe geringfügig und wurden als »nicht standesgemäßes Verhalten« erklärt, das ihn Rang und Offizierspatent kostete. Und seine Ehre.
Um diese zu erhalten, hatte die beiden Offiziere ihn gefragt, ob er über eine Pistole verfüge. Also setzte er sich an sein Schreibpult und spielte mit der Feder. Neben ihm lag die schöne, sorgfältig polierte Pistole, die ihn auf dem letzten Feldzug begleitet hatte. Ihr Messing glitzerte im Schein der Lampe. Sie war geladen.
Seit seiner Rückkehr nach Berlin war es ihm klar geworden, dass sein Vergehen sich in seinem Bekanntenkreis herumgesprochen hatte. Die Folgen daraus waren direkt und einschneidend. Nach wenigen Tagen hatte David ein höfliches Schreiben von Dorothea Dettering erhalten, die ihm in sehr ernüchternden Worten die Auflösung ihres Verlöbnisses mitteilte. Die Verlobung war zwar nicht öffentlich bekannt gemacht worden, denn sie hatten sie erst kurz bevor er ins Feld zog geschlossen. Aber in der Familie und bei engen Freunden hatte es sich verbreitet. Es war weniger das Liebesleid, das David daraus erwuchs – zu einer anderen Zeit wäre er vermutlich sogar ganz froh über die Wiederherstellung seiner Ungebundenheit gewesen -, sondern ihn schmerzte die Erkenntnis, mit welch leichter Hand ihn diese Freundin fallen ließ.
Seine Vermieterin, die zuvor immer ein freundliches Wort für ihn übrig hatte, war an ihn herangetreten und hatte die Miete für die nächsten zwei Monate im Voraus verlangt. Er verstand ihr Misstrauen, aber es versetzte ihm einen bösen Stich.
Er merkte auch sehr schnell, dass er bei seinen Kameraden keine Achtung mehr genoss. Begegnete ihm einer von ihnen auf der Straße, wurde sein Gruß nicht erwidert, als er sein Bier im Gasthaus trank, mied man seinen Tisch, und Einladungen zu Umtrünken oder Ausflügen kamen nicht mehr in seine Wohnung geflattert. Selbst für die jungen Damen, die
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