Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
fest, als sie das Mustertuch vor sich ausbreitete. Elena hatte ihr auf ein Stück Leinen das Alphabet in ebenmäßigen Buchstaben vorgezeichnet und ihr aufgetragen, es mit buntem Garn auszusticken. Es war eine Schulmädchenarbeit, aber eingedenk ihres Versprechens, höflich zu sein, hatte Antonia sich bereit erklärt, sich an dieser Handarbeit zu versuchen. Das Ergebnis war weit davon entfernt, elegant zu wirken. In Elenas Stickrahmen hingegen blühten Rosen in allen Rot- und Rosaschattierungen, und ihre Stiche waren einer so exakt wie der andere.
    »Nein, es sieht nicht sehr ordentlich aus. Aber Geduld und Übung werden dich schon die Kunst des feinen Stickens lehren, meine Liebe.«
    »Wozu eigentlich? Ich meine, Madame, warum muss ich das lernen?«
    »Um die Hände beschäftigt zu halten. Es stärkt den Charakter, fördert die Disziplin und lenkt von nichtigen Gedanken ab. Zudem entwickelt es die manuelle Geschicklichkeit.«
    Antonia stichelte weiter an ihrem krumpeligen Leinentuch und ließ sich schweigend belehren. Es war einer der vielen Nachmittage, die sie mit der Dame des Hauses zusammen verbrachte und sich dabei rechtschaffen langweilte. Ihr Leben hatte seit dem Gespräch in der Bibliothek einen neuen Rhythmus erhalten. Nach dem Frühstück gingen sie und Waldegg die schriftlichen Arbeiten vom Vortag durch. Er hatte sie gebeten, über das, was sie gelesen hatte, ein kleines, kommentiertes Exzerpt zu verfassen, was ihr ein erstaunliches Vergnügen bereitete. Danach suchte sie Jakoba in der Küche auf, um ihr entweder bei der Zubereitung der Mahlzeiten zu helfen oder den Einkauf auf dem Markt zu übernehmen. Nach dem Mittagessen, das sie gemeinsam mit den Waldeggs einnahm, unternahmen der Domherr und sie, wann immer das Wetter es zuließ, einen ausgedehnten Spaziergang. Die späteren Nachmittagsstunden jedoch waren der Einübung gesellschaftlicher Feinheiten gewidmet. Elena, die sich von ihrer Nervenkrise einigermaßen erholt hatte, versuchte mit Sanftheit und Nachsicht ihr die Kunst des Tee-Servierens, der gepflegten Konversation und der zarten Handarbeiten beizubringen. Antonia wehrte sich nicht dagegen, aber sie konnte es nicht lassen, Fragen zu stellen, die Elena immer wieder irritierten.
    »Verzeihen Sie, Madame«, sagte sie jetzt, nachdem sie den Ausführungen mit unterdrücktem Gähnen gefolgt war. »Nützlich bedeutet für mich etwas anderes. Ich kann ganz passabel flicken, einen geraden Saum nähen und Strümpfe stricken. Damit kann man wenigstens etwas anfangen.«
    »Du kannst Strümpfe stricken?«
    »Sicher, Madame. Hab’s von meinem Vater gelernt. Als er verletzt war und das Bett hüten musste. Da hat er mir das beigebracht.«
    »Dein Vater?« Elenas Gesicht zeigte maßlose Verblüffung, und ihr Gatte, der soeben den Salon betrat, ließ ein leises Lachen hören.
    »Elena, meine Liebe, ich habe dir geraten, Antonia nicht zu unterschätzen. Ich nehme an, Soldaten sind oft gezwungen, auf weibliche Dienste zu verzichten und müssen sich einige unorthodoxe Fähigkeiten aneignen. Ich hörte übrigens auch, dass Schäfer ihre Zeit mit Stricken verbringen, wenn sie auf ihre Herde achten.«
    »So ist es«, bestätigte Antonia. »Und mir hat’s Spaß gemacht. Ich habe mir einmal sogar feine, weiße Strümpfe mit Muster gestrickt.«
    »Höre ich da einen ersten Anflug von Eitelkeit?«
    Antonia zuckte mit den Schultern, aber ein Mundwinkel verzog sich nach oben.
    »Elena, was spricht eigentlich dagegen, wenn sie für deine jungen Mütter und ihre Kinder Strümpfe stricken würde, statt auf diesen hilflosen Lumpen einzupieksen?«
    »Das ist ein Mustertuch, Hermann!«
    »Verzeih, ja. Aber dennoch...?«
    »Nun, wir könnten es probieren.«
    »Nun, dann tut es morgen. Jetzt aber hätte ich gerne eine Tasse Tee, meine Lieben.«
    Antonia, einem Wink Elenas folgend, übernahm es, die zarte Tasse zu füllen und sie einigermaßen anmutig dem Domherrn zu überreichen. Sie klapperte dabei nur ganz wenig auf dem Unterteller.
    »Das machst du schon sehr hübsch«, lobte Elena sie und ergänzte: »Ich würde am Donnerstag zur Teestunde gerne Charlotte einladen. Ich denke, das können wir jetzt wagen.«
    »Bitte nicht, Madame. Ich fühle mich noch sehr unbeholfen. Man wird über mich lachen.«
    »Aber nein, Liebes. Charlotte ist eine sehr wohlerzogene junge Frau. Sie wird dir gefallen. Sie ist meine allerbeste Freundin.«
    »Ich weiß nicht, mein liebes Weib«, mischte sich Waldegg ein. »Willst du nicht noch ein paar

Weitere Kostenlose Bücher