Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
Kamin lag und Milli im Arm hielt.
    »Madame!«, flüsterte Antonia.
    »Meine Milli... Es geht zu Ende mit ihr...«
    »Oh!« Betroffen trat Antonia näher und kniete sich nieder. Die alte Katze hatte die Augen geschlossen und ihre Flanken unter dem struppigen Fell hoben und senkten sich in heftigen Atemzügen. Aber sie bewegte sich nicht und öffnete auch die Augen nicht.
    »Sie sieht nichts mehr«, wisperte Elena. »Aber sie wollte sich verstecken. Immer wieder wollte sie sich unter dem Sofa verkriechen und einmal sogar in dem Kamin. Darum halte ich sie jetzt fest.«
    Antonia sah den Kummer in dem durchscheinend blassen Gesicht ihrer Mutter, und sie hoffte, sie würde nicht wieder einen ihrer hektischen Anfälle bekommen. Aber bisher war sie eigenartig gefasst.
    »Kannst du mir bitte ein Kissen reichen? Ich möchte Milli nicht loslassen.«
    »Natürlich.« Antonia holte eines der Polster und half Elena, sich in eine bequemere Position zu begeben. »Kann ich noch etwas für Sie tun, Madame? Oder für die Katze?«
    »Es gibt nicht viel mehr zu tun, als zu warten, Antonia.«
    Also ging sie in die Küche, um ein Häppchen zu essen, und nahm auf dem Rückweg ein weiteres Glas Milch mit Honig für Elena mit. Ihre Mutter schüttelte ablehnend den Kopf, also setzte sie sich neben sie auf den Teppich. Schweigend, bewegungslos und geduldig wartete sie neben ihr und der sterbenden Katze, während in der kleinen Pendule neben dem duftenden Fliederstrauß Viertelstunde um Viertelstunde verklang. Um zwei Uhr bewegte sich Milli noch einmal. Aus ihrem Mäulchen kam ein ersticktes Keuchen, dann durchzitterte ein letzter Krampf ihren dünnen Körper, und ihre kleine Katzenseele verließ diese Welt.
    Elena ließ die alte Katze sachte auf ihre Decke gleiten, streichelte sie und bewegte ihre Lippen in einem unhörbaren Abschiedsgruß.
    »Heilige Sankt Ursula, nimm dich ihrer an«, flüsterte Antonia und streichelte ebenfalls über ihren Kopf.
    Elenas Augen lagen in dunklen Höhlen, aber sie blieben trocken. »Milli war alt, Toni. Sie war zwei Jahre älter als du. Wir haben einen langen, gemeinsamen Weg hinter uns.« Ihre Stimme war vor Traurigkeit rau, und sie machte eine Pause, während der sie sich aufrechter gegen das Polster gelehnt hinsetzte. Dann sah sie Antonia an und fuhr leise fort: »Sie kam zu mir, bald nachdem du geboren warst. Jakoba fand sie hinter der Küche. Sie war verletzt, ein Marder hatte sie in die rechte Vorderpfote gebissen, die Wunde war entzündet und sie dem Tode nahe. Ich habe sie gepflegt, als hinge mein Leben davon ab. Es hing wirklich davon ab, Toni, denn ich war seit der Geburt nicht mehr gesund geworden. Dass ich dich fortgeben musste, hat mich fast zerstört. Meine Welt war dunkel geworden, hoffnungslos und von niederdrückender Schwere. Nur das Bewusstsein, dass ein Selbstmord eine noch größere Sünde war als die, die ich bereits begangen hatte, hielt mich davon ab, ins Wasser zu gehen. Erst diese Katze gab mir wieder ein Ziel.« Sie machte eine Bewegung zu Antonia hin. »Ich weiß, es hört sich überspannt an. Und du hast vollkommen Recht, wenn du mir mein Verhalten vorwirfst. Es muss dir erbärmlich vorkommen. Ein Tier zu pflegen statt des eigenen Kindes...«
    »Ich mache es Ihnen nicht zum Vorwurf, Madame. Nicht mehr. Wahrscheinlich haben Sie keinen anderen Ausweg gesehen.«
    »Nein, ich sah keinen, als ich feststellte, dass ich schwanger war. Ich hatte es, so gut es ging, verheimlicht, aber Jakoba bemerkte es dennoch. Sie war im Kloster schon unsere Köchin, aber sie hat nie die Gelübde abgelegt. Sie wohnte nicht bei uns, sondern kam immer nur zur Tagesarbeit. Ich hatte Küchendienst – wir mussten abwechselnd immer irgendwelche Arbeiten für die Gemeinschaft verrichten – und sie fragte mich eines Tages danach. Ich war im fünften Monat und sah mit Schrecken in die Zukunft. Aber ich mochte sie, vertraute auf ihre Verschwiegenheit und erhoffte mir Hilfe von ihr. Sie versprach sie mir und fand sie auch, Toni. Sie kam ein paar Wochen später und brachte mich zu Elisabeth Dahmen.«
    »Am Sankt-Ursula-Tag.«
    »Ja, am Sankt-Ursula-Tag.«
    »Mama gestand mir, es seien ihre Gebete an diesem Tag erhört worden.«
    »So war es denn wohl. Toni, ich mag vieles falsch gemacht haben, aber ich glaube, ich habe eine gute Mutter für dich gefunden. Ich hätte dir vermutlich nicht eine solche sein können. Elisabeth war mir sympathisch, und sie war sehr hilfsbereit. Die letzten Wochen meiner Schwangerschaft

Weitere Kostenlose Bücher