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Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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durchquerte. Weder Nieselregen noch Graupelschauer, weder Sonnenschein noch kühler Wind machten Eindruck auf ihn. Abends war er todmüde von der Anstrengung in irgendein Bett gesunken, ein paar Mal übernachtete er sogar in Heuschobern. Größere Städte mied er, und erst hinter Dresden war er an die Elbe gelangt. Weggefährten hatte er nicht gesucht, und wenn sich ihm jemand anschließen wollte, vertrieb er ihn bald mit seiner Schroffheit und Wortkargheit.
    An diesem Junimorgen aber trat eine Änderung ein. Er war vor Sonnenaufgang aufgebrochen, das Bett in der Herberge war einem erholsamen Schlaf nicht dienlich gewesen. Die klumpige Matratze hatte ihn gedrückt, und ein paar unappetitliche Tierchen waren durch die muffigen Decken gekrochen. Er genoss nun draußen umso mehr die klare, saubere Atmosphäre. Es lag Frühnebel über dem Elbetal, und hier und da ragten phantastische Gebilde aus Sandstein heraus. Auf einer Anhöhe blieb David stehen und sog die kühlfeuchte Luft ein. Der Himmel wölbte sich in milchigem Blau über das Land, einige Wolken am Horizont färbten sich bereits rosig. Der Tag versprach sonnig zu werden. Noch netzten feinste Tröpfchen die bemoosten Steine und die zarten Spinnweben in den Büschen. Vögel schmetterten ihre Lieder, und ein Langohr hoppelte mit blinkendem weißen Schwanz geschäftig beinahe über seine Stiefelspitze. Wie Speerspitzen brachen die Sonnenstrahlen durch den dünnen Nebel, und der Osten erglühte in brennendem Orange.
    Atemlos verfolgte David, wie die Natur sich wandelte, wie das dämmerige Grau zu Pastellen wurde und dann die Farben an Leuchtkraft gewannen. Üppig grün schimmerte das feuchte Gras zu seinen Füßen, der Tau auf den Halmen flimmerte wie Brillanten, die gelben Blüten des wilden Steinkrauts jubelten in strahlendem Gelb, und tiefschwarz erhoben sich die bizarren Steinpfeiler des Gebirges vor dem Azur des Himmels. Die Morgenbrise ließ die weißen Nebel im Tal wabern, unter ihnen erahnte man das glitzernde Band des Flusses.
    Der Künstler in David erwachte zaghaft, und voll Staunen entdeckte er den Drang, das Geschaute festzuhalten. Es war lange her, dass er diesen Wunsch gehegt hatte. Zwar hatte er ein Heft mitgenommen, um seine Gedanken festzuhalten, aber bisher hatte er kein einziges Mal den Stift zur Hand genommen. Jetzt aber fühlte er sich versucht, einige Skizzen zu machen. Er trat auf die Felsen zu und streifte mit der Hand über den kalten Stein, die glänzenden Efeublätter und die kleinen, zähen Blümchen, die sich in den Ritzen anklammerten. Im nächsten größeren Ort würde er einen Skizzenblock erstehen. Zufrieden mit diesem Gedanken machte er sich auf den Weg durch den Sommermorgen. Es schlüpfte, während er zügig ausschritt, sogar ein kleines, unmelodiöses Liedchen über seine Lippen.
    Um die Mittagszeit machte er an einem Bachlauf Rast, um seine Wegzehrung zu verspeisen und seine Reiseflasche mit dem klaren Wasser aufzufüllen. Ein Blick in den Reiseführer zeigte ihm, dass Königstein nicht mehr weit war, und er beschloss, sich die Festung und die als beeindruckend bezeichneten Felsformationen anzusehen. Außerdem gab es dort sicher einen annehmbaren Gasthof.
    Am späten Nachmittag erreicht er sein Ziel und fand nicht nur eine passable Unterkunft, sondern sogar einen Laden, der ihn mit Zeichenmaterial versorgte. Die Krämerin war nicht erstaunt über seinen Wunsch, sondern vertraute ihm an, viele Künstler suchten Inspiration in ihrer schönen Gegend. Sie schien stolz darauf zu sein, und David wechselte einige freundliche Worte mit ihr, um herauszufinden, welche Route sich denn am meisten lohnte.
    Auch im Gasthaus verspürte er das Bedürfnis nach Geselligkeit, und als sich ein junger Mann, ähnlich wie er für die Wanderschaft gekleidet, an seinen Tisch setzte, blieb er diesmal nicht abweisend, sondern grüßte freundlich. Paul David Lettow stellte sich als Student der Rechtswissenschaft vor, und David machte die Probe aufs Exempel. Er bezeichnete sich als »ehemaligen Offizier«, was dem jungen Mann nur die schulterzuckende Bemerkung entlockte: »Das dürften heute fast alle Angehörigen unserer glorreichen Streitkräfte sein. Ehemalig, meine ich.«
    »Oder gefangen oder tot.«
    »Dann ist ehemalig ja noch eine erfreuliche Alternative. Waren Sie in Jena dabei?«
    »Wir können den Abend gemütlich bei einem Schoppen Wein verbringen oder getrennte Wege gehen.«
    »Verzeihung. Wissen Sie, ich hatte mir nach einem anstrengenden

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