Kreuzdame - Köln Krimi
kam und war da, als wäre nie etwas anderes gewesen. Sie blickte sich um, schaute kurz auch zu mir, allerdings ohne mich dabei richtig anzusehen. Wie auf dem Friedhof trug sie auch jetzt einen Hut, der die Haare verdeckte, und eine dunkle Brille, die sie ebenso wenig abnahm wie den Nerz, den sie eng um sich schlang, als ob sie fröstelte.
Da ließ meine Schwester die CD weiterlaufen, und Klaus’ Stimme tönte durch den Raum. Doch erst, als es an die Nennung der Erben ging, hörte ich wieder zu.
»… geliebte Anna«, sagte Klaus, »du bist die Frau, der mein Herz gehörte …«
Ein Raunen ging durch die Reihe. Ich wusste, dass jeder an Katharina dachte, nur Charlotte eher an sich – und ich? Ja, ich dachte auch an mich und daran, dass ich ihm wohl doch nie etwas bedeutet hatte. Und Anna? Wie empfand sie die Worte, dass Klaus sie bis zum Schluss geliebt hätte? Wusste sie nichts von Katharina? Was Anna erben sollte, hatte ich nicht mitbekommen, aber jetzt konzentrierte ich mich wieder auf Klaus’ Stimme, deren warmer Klang mich noch immer faszinierte.
»Dir, Charlotte, gebe ich meine Kunstbücher, und ich versichere dir, du warst wie ein Sonnenstrahl in meinem Leben, deine Sensibilität und deine Schönheit waren mir sehr vertraut.« Charlotte sprang auf und rannte hinaus, doch keiner ging ihr nach.
Johannes bekam den Ferrari und Karlheinz die Münzsammlung. Für mich sollte es Blumen geben, am ersten eines jeden Monats, bis ich sechzig wäre, danach müsste ich wieder selbst dafür sorgen. Klaus sagte das so fröhlich, dass ich das Gefühl hatte, er stünde direkt vor uns. Auch mir kamen die Tränen, und ich wäre vielleicht auch hinausgelaufen, wenn nicht danach etwas geschehen wäre, das mich von jetzt auf gleich aus meinen blank geputzten Schienen geworfen hätte.
»Nun zu dir, liebe Karin«, fuhr Klaus fort. »Oder besser gesagt, zu deinen Kindern Leon und Mathilda. Ihr beide erhaltet je hundertfünfzigtausend Euro, und euch soll alles gehören, was Anna nicht haben will. Das könnt ihr behalten oder verkaufen, ganz wie ihr wollt. Ihr werdet euch fragen, warum. Tja, ich bin euer Vater.«
Karin wurde leichenblass, mit weit aufgerissenen Augen sprang sie auf.
Leon und Mathilda riefen: »Was sagt er da? Er ist unser Vater und nicht du, Papa?«, und Karlheinz polterte: »So ein Blödsinn! Was erzählt Onkel Klaus da für einen Schwachsinn!«
Nur mit Mühe konnte meine Schwester uns wieder zur Ruhe bringen und uns den Rest der CD vorspielen. Doch wenn ich gedacht hatte, Annas Erscheinen und Klaus’ Eröffnung, er sei der Vater von Mathilda und Leon, seien alles gewesen, was uns an diesem Morgen an Überraschungen erwartete, sah ich mich bald getäuscht. Denn Klaus wandte sich nun an Timo.
»Ich habe«, sagte er, »für dich gesorgt, als du klein warst, als du zur Schule gingst und zur Universität. Jetzt aber denke ich, sollte sich dein Vater um dich kümmern, der sich nun vielleicht doch zu dir bekennen wird, das hoffe ich zumindest.«
Wir blickten uns ratlos an. Was sollte das denn heißen?
Da stand Anna auf, ging zu Timo, nahm ihn bei der Hand und führte ihn zu Martin, der sich jetzt auch erhoben hatte, legte die Hand ihres Sohnes in Martins Hand und sagte: »Damit zusammenkommt, was zusammengehört.« Danach verließ sie den Raum. So schnell, wie sie gekommen war, verschwand sie wieder.
Martin stand da, lächelte Timo an und schloss ihn in seine Arme. »Mein Sohn«, sagte er feierlich, »mein Sohn.«
Mir wurde schwindelig. Ich hielt mich an beiden Armlehnen fest und versuchte zu verstehen, was hier vor sich ging. Das Blut in meinen Ohren rauschte immer lauter. Ich hörte von fern die Stimme meiner Schwester. »Die schriftliche Form dieses Testaments liegt beim Amtsgericht und wird allen Erben in Kopie postalisch zugestellt. Sie haben die Möglichkeit, die Annahme des Erbes …«
Dann klappte ich zusammen und rutschte vom Stuhl.
»Wie ein Taschenmesser«, sagte Johannes und fühlte meinen Puls. Johannes, nicht Martin, das fiel mir als Erstes auf. Mein Mann stand bei Timo am Fenster und hatte offensichtlich gar nicht mitbekommen, was mit mir geschehen war.
Ich rappelte mich auf, nahm meine Tasche und lief zur Tür, die Treppe hinunter auf die Straße, stieg in meinen Wagen und fuhr los. Ich wollte nur weg. Bislang war mir sein Tod unbegreiflich gewesen, aber nun hatte Klaus alles ausgehebelt, was uns jahrelang eine Basis gewesen war für unser gutes Leben. Timo, den wir Frauen gemeinsam um
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