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Kreuzdame - Köln Krimi

Kreuzdame - Köln Krimi

Titel: Kreuzdame - Köln Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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Beruf, und niemand käme auf die Idee, mir die Enkel und deren Betreuung zuzumuten.
    Gegen halb drei stand ich auf und ging hinunter ins Wohnzimmer. Ich machte Licht, holte mir ein Glas und die Rotweinflasche. Ich goss mir den vom Abendessen übrig gebliebenen Rest ein und setzte mich in einen Sessel. Ich spürte, wie die Traurigkeit in mir hochstieg, über mein Herz hinauf in den Hals, und plötzlich löste sich der Knoten, und ich begann zu weinen. Das erstaunte mich und machte mich gleichzeitig glücklich. Wie alte Bekannte erschienen mir die Tränen, wie Freunde, die sich lange nicht gemeldet hatten. Ich schluchzte laut und erheblich und wusste sogleich, dass mich das Weinen erleichtern würde. Als ich später wieder ins Bett zurückkehrte, fühlte ich mich irgendwie stärker.
    Die private Testamentseröffnung sollte am Mittwoch stattfinden, teilte mir meine Schwester am nächsten Morgen mit. Sie werde uns bei sich in der Kanzlei Klaus’ letzten Willen bekannt geben.
    »Wer ist ›uns‹?«, fragte ich.
    »Ja, ihr alle«, sagte Isabella, »Martin und du, Timo, Charlotte und Johannes, Karin und Karlheinz und auch deren Kinder.«
    »Und unsere Kinder?«, fragte ich.
    »Von denen ist nicht die Rede«, antwortete sie kurz und bündig mit ihrer Juristinnenstimme, die ihr in den Gerichtssälen Respekt verschaffte, wo sie sich als Frau stets mehr behaupten musste als ihre männlichen Kollegen. »Um elf Uhr«, sagte sie danach, nein, abholen könnte sie mich nicht.
    Beim Mittagessen erzählte ich Martin davon und dass zwar Karins Kinder kommen sollten, unsere aber nicht. Er zuckte mit den Achseln und meinte, dass Klaus schon seine Gründe gehabt haben werde und dass man das ja alles sehen werde. Übrigens käme er gleich vom Krankenhaus dahin.
    »Und danach?«, fragte ich. »Sollen wir danach irgendwo essen gehen, nur wir zwei oder mit den anderen zusammen?«
    »Mal sehen«, antwortete Martin ausweichend und stand abrupt vom Tisch auf. Da war er wieder, der Graben zwischen uns, unüberbrückbar angesichts all dessen, was er in sich trug und vor mir verschlossen hielt wie eine Sammlung antiker Edelsteine.
    Der Mittwochmorgen begann mit Sonne, und für die Gesamtheit dieses Tages war kein Regen angesagt. Ich duschte, wusch mir die Haare und pflegte mich ausgiebig. Ich hatte in den letzten zwei Wochen fünf Kilo abgenommen und das Gefühl, bald wieder zu meiner schlanken Silhouette zurückzufinden. Die Garderobe wählte ich sorgfältig, elegant und doch solide, dem Anlass entsprechend. Bevor ich das Haus verließ, sah ich noch einmal in den großen Spiegel und fand mich fast schön. Kurz vor der Tür der Kanzlei erhaschte ich einen Parkplatz, der gerade vor mir frei wurde. Ich war erfüllt von dem Gedanken, dass sich nun alles zum Guten wenden würde und dieser Tag zum Beginn einer glücklichen Zeit werden könnte.
    Als ich die Kanzlei betrat, war Charlotte schon da. Nach und nach kam der Rest, zuletzt Martin, dem ich winkte und den Platz neben mir, den ich freigehalten hatte, anbot. Doch er nickte nur und setzte sich dann ans andere Ende der Reihe. Pünktlich um elf betrat meine Schwester das Zimmer. Sie begrüßte uns, schob dann eine CD in die Anlage, und nach einem kurzen Rauschen hörten wir Klaus’ Stimme. Er klang munter und herzlich und bat uns, seinen letzten Willen zu akzeptieren, auch wenn der eine oder andere vielleicht über manches erstaunt wäre. Eines wäre sicher: Er wäre uns allen immer sehr zugetan gewesen, ja, wir seien das Fundament seines Lebens gewesen, eines Lebens, das dauerhaft getrieben war vom Weiterkommenmüssen, vom Erfolgsstreben, aber auch von der Liebe und der Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Schönheit.
    An dieser Stelle schluchzte Charlotte auf, erhob sich schnell und ging zur Tür, die jedoch in diesem Moment geöffnet wurde.
    Wir alle drehten uns um nach der Frau, die jetzt hereinkam, und das vielfache Gemurmel wurde so laut, dass man Klaus fast nicht mehr verstehen konnte und Isabella eilig die Anlage stoppte. Danach fragte sie in ihrer kühlen Kanzleistimme: »Gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie die Ehefrau …«
    Woraufhin Anna laut und sehr deutlich antwortete: »Ja, ich bin Anna Bender, geborene Allmann, seit dem 17.   August 1975 verheiratet mit dem Erblasser Klaus Bender.«
    Sie wollte sich auf einen der freien Stühle setzen, die für den Notfall an der Wand standen, aber Martin sprang auf, um ihr zu helfen, und stellte den Stuhl neben seinen. Ich war sprachlos. Anna

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