Kreuzdame - Köln Krimi
fragte Martin, als ich die Haustür aufschloss. »Ich habe mir Sorgen gemacht. Es lag kein Zettel da, und die Kinder wussten auch nichts.«
»Du hast die Kinder angerufen?«, fragte ich. »Das hast du doch noch nie gemacht.«
Martin lachte. »Ich habe mir auch noch nie so viel Sorgen um dich gemacht.«
Er nahm mich in den Arm, und als er später im Bett neben mir lag und meine Hand drückte, hoffte ich, diese Nähe würde uns nie mehr verloren gehen.
Während der folgenden Tage versuchte ich, einigermaßen normal zu leben, dennoch fehlten mir die Gespräche und die Leichtigkeit der Freundschaft. Alles schien wie weggeblasen, wie vom Meer verschlungen oder vom Winde verweht.
Am nächsten Morgen telefonierte ich mit den Zwillingen und wünschte ihnen viel Glück. Sie standen mitten im Examen und hatten heute ihre mündliche Prüfung. Beide hatten Jura studiert und ihre Referendardienste absolviert, jetzt hofften sie im zweiten Staatsexamen gut benotet zu werden, damit ihnen alle Wege offenstanden. Um sie machte ich mir keine Sorgen. Nur Lisamarie, unsere Jüngste, schien sich in den vielen Möglichkeiten, die sich ihr boten, zu verlaufen. Sie war die Begabteste, hatte als einziges unserer Kinder ein Einserabitur geschafft, doch die Vielfalt ihrer Talente schien für sie eher eine Last zu sein als ein Garant für Freiheit. Mutter sein hört niemals auf, das war der Lieblingsspruch meiner Großmutter gewesen, den meine Mutter übernommen hatte und der auch mir oft durch den Kopf ging.
Als ich am späten Nachmittag am Telefon vorbeikam, fiel mein Blick auf den Zettel, auf dem ich Annas Nummer notiert hatte. Ob ich sie noch einmal anrufen sollte? Doch als ich gerade ihre Nummer wählen wollte, klingelte es an der Tür. Es war Karlheinz.
»Ist Martin schon da?«, fragte er, und als ich verneinte, schien er enttäuscht. Wann er denn nach Hause käme?
»Ich hoffe bald«, sagte ich lächelnd, »komm doch rein und nimm bis dahin mit mir vorlieb.«
Er zögerte kurz, drehte sich um, als wollte er zu seinem Wagen gehen, doch dann besann er sich und kam herein.
»Was möchtest du trinken?«, fragte ich, und er antwortete matt:
»Ein Glas Wasser, sonst nichts.«
»Und was ist mit Essen?«
»Was meinst du?«, fragte er.
»Na, ob du mit uns zu Abend isst? Ich gieße dann noch ein bisschen Wasser in die Suppe.«
»In was für eine Suppe?«, fragte er.
»Ach Karlheinz, das sagt man doch so. Ich meine, ich stelle ein bisschen mehr auf den Tisch, damit du auch satt wirst. Also ja oder ja?«
Er seufzte. »Wenn du mich so lieb einlädst, gern. Ich fühle mich im Augenblick ziemlich verloren und verlassen. Aber lass dich nicht stören. Ich setze mich ins Wohnzimmer, lese Zeitung, und du machst das Essen, okay?«
Das schien zur Gewohnheit zu werden, ein zusätzlicher Mann an meinem Tisch. Bevor Martin kam, zog ich mich um, legte noch ein bisschen Rouge auf und versuchte, mich so zu frisieren, wie es mir der nette Friseur letzte Woche erklärt hatte, sozusagen machte ich mich so schön wie möglich.
Während des Essens redeten wir über belanglose Themen. Offenbar wollte Karlheinz das, was ihm auf dem Herzen lag, allein mit Martin besprechen. Nach dem Essen gingen die Männer nach oben, ich räumte die Spülmaschine aus und setzte mich dann ins Wohnzimmer, um zu lesen. Wenig später kamen Martin und Karlheinz zu mir, setzten sich in die Sessel vor dem Schiefertisch und fragten, ob ich ein Glas Wein mit ihnen trinken wolle.
»Natürlich«, antwortete ich, »gern.« Ich sprang auf, um die Gläser aus dem Schrank zu holen.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Martin zu Karlheinz hinüberschaute und nickte. Karlheinz schüttelte den Kopf und zeigte mit dem Finger auf Martin. »Fang du an«, flüsterte er.
Ich wusste nicht, was das werden sollte, kehrte mit den Gläsern zu den beiden zurück und schenkte uns ein. »Salute!«
Sie griffen nach den Gläsern wie Verdurstende in der Wüste, prosteten mir zu und schwiegen noch eine Weile, bis Martin begann. »Britta, es geht um die Kinder von Karin und Karlheinz.«
»Ja?«
»Wir haben uns überlegt, dass du die Vermittlerin sein könntest.«
»Zwischen wem und wem?«, fragte ich.
»Zwischen Karin und mir«, rief Karlheinz, und es klang, als wäre ich seine letzte Hoffnung.
Seine Geschichte begann zögernd, es hörte sich an, als schämte er sich, als wäre ihm das Geschehene peinlich, als fürchtete er, sich vor mir lächerlich zu machen oder für mich nicht mehr der zu sein, der
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