Kreuzdame - Köln Krimi
auch noch weil er von der turbulenten Testamentseröffnung gehört hatte und den vielen bösen Überraschungen, bat uns Kommissar Weber Anfang der Woche noch einmal, alles genau zu durchdenken und ihm jede noch so unbedeutende Kleinigkeit, die uns in letzter Zeit an Klaus oder einem von uns aufgefallen war, mitzuteilen. Mir wurde angst und bange, dass der Mörder womöglich in unseren Reihen gefunden werden könnte, dass einer von uns Klaus umgebracht hatte, ein Freund, eine Freundin. Charlotte vielleicht, die ihn geliebt, die sich Hoffnung gemacht hatte, die nicht hatte wahrhaben wollen, dass es nie etwas Festes zwischen ihnen werden würde? Zu der Enttäuschung in der Ehe jetzt auch noch der Liebhaber im Abflug. Vielleicht hatte sie gedacht, wenn nicht ich, dann soll ihn auch keine andere haben. Möglicherweise hatte Karlheinz schon vor letztem Mittwoch herausgefunden, dass Leon und Mathilda Klaus’ Kinder waren, und sich dafür an Klaus gerächt? Und was war mit Karin? Hatte Klaus ihr gedroht, er werde ihren Seitensprung öffentlich machen, und da hatte sie ihn zum Schweigen gebracht?
Plötzlich schien jeder ein Motiv zu haben, selbst Martin. Aus Angst, dass Klaus eines Tages mir oder aller Welt erzählen würde, wer Timos Vater war? Hatte Klaus sich vielleicht einen Spaß daraus gemacht, hatte ihm eine kleine Lektion erteilen wollen, nach dem Motto nobody is perfect , und hatte Martin dann vielleicht … Aber daran wollte ich nicht glauben, nicht Martin, mein Mann. Dass er zum Mörder werden könnte, wollte mein Herz nicht wahrhaben, jeder andere, aber nicht Martin. Dann doch eher Katharina, die endlich seine Ehefrau werden wollte, was Klaus vielleicht abgelehnt hatte.
Und was war mit Anna? Sie war so undurchsichtig geworden, so unbegreifbar, ich hätte nicht mehr, wie früher, meine Hand für sie ins Feuer gelegt. So wie sie die Menschen benutzte, wäre sie womöglich auch in der Lage, jemanden, der nicht nach ihrer Pfeife tanzte, aus dem Weg zu räumen. Und vielleicht hatte Klaus ja sein Testament ändern wollen, und Anna hatte das zu verhindern gewusst? Und dann war da ja auch immer noch Frau Magari, die für mich noch lange nicht raus war aus dem Verdächtigenkreis, denn ein Fremder oder eine Fremde wären leicht von Herzen zu hassen gewesen.
»Wir wissen nun, wie der Handlungsablauf gewesen ist, nur wissen wir nicht, wer diese Handlung in Gang gesetzt hat«, erklärte mir Kommissar Weber, als ich am nächsten Tag in seinem Büro saß, wohin er uns alle gebeten hatte, einen nach dem anderen. »Deswegen müssen wir auch von Ihnen, Frau Mallberg, wissen, was Sie am Tag vor Herrn Benders Tod gemacht haben. Gibt es Zeugen, die bestätigen können, dass Sie in Köln gewesen sind?«
Gar nicht so einfach, mich zu erinnern, was ich am Tag vor Klaus’ Unfall gemacht hatte. In meinem Terminkalender stand nur ›Einkaufen‹.
»Ich war in der Stadt«, sagte ich, »ich hatte mich mit meiner Schwester treffen wollen, aber sie sagte ab. Also bin ich ein bisschen durch die Läden geschlendert, habe mir einen roten Pullover gekauft und ein paar beige Stiefel, die waren im Angebot. Und bei ›Depot‹ habe ich noch einen großen Kerzenleuchter ergattert, runtergesetzt, der steht jetzt rechts vom Kamin, vielleicht haben Sie ihn bemerkt bei Ihrem Besuch. Die Rechnung von den Stiefeln müsste ich sogar noch haben, und wenn Sie die Verkäuferin –«
Doch der Kommissar unterbrach mich mit einem milden Lächeln, bedankte sich und entließ mich hinaus auf den Flur, wo Charlotte und Karlheinz warteten. Karlheinz brummelte: »Was soll denn dieser Schwachsinn? Meint der wirklich, einer von uns hätte Klaus umgebracht?«
Ich setzte mich neben Charlotte und wollte gerade fragen, wie es ihr ging, aber da wurde sie bereits ins Zimmer gerufen. Ich stand auf, lächelte Karlheinz an und ging Richtung Ausgang.
Als ich schon ein paar Schritte von ihm entfernt war, drehte ich mich noch einmal um und fragte: »Ist Karin heute Abend zu Hause? Ich würde gern mit ihr reden.«
»Karin ist ausgezogen«, antwortete Karlheinz. »Du kannst sie auf dem Handy erreichen.«
Ich ging zurück. »Warum?«, fragte ich und merkte im selben Moment, dass diese Frage die dümmste war, die ich stellen konnte.
»Weil ich ihr gesagt habe, dass Klaus nicht gelogen hat«, erwiderte Karlheinz mit müder Stimme und einem Gesichtsausdruck, der mir klarmachte, dass er nicht darüber sprechen wollte, jedenfalls nicht mit mir.
»Ja, wenn das so ist …«,
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