Kreuzdame - Köln Krimi
erstaunlicherweise, denn sonst verschwiegen wir niemals etwas, das uns alle betraf. Aber diesmal wollte ich vorher mit Martin darüber reden, mit ihm überlegen, wer welchem Kind die Nachricht überbrachte, oder ob wir sie alle zusammen nach Hause bitten sollten, vielleicht sogar zusammen mit Timo.
Am nächsten Tag ging ich wieder zu meinem neuen Friseur. Zu Hause schminkte ich mich und zog mir das einzige Abendkleid an, das mir, der purzelnden Pfunde wegen, wieder zu passen begann. Ich sah gut aus und fühlte mich entsprechend elegant und attraktiv, als wir die Treppe zum Ballsaal hinaufgingen, zu einem jener Ereignisse, bei dem die Prominenz der Stadt versammelt war, bei dem alle Damen jugendlich wirkten, auch jene, denen man das Bemühen ansah und die im Laufe des Abends an Frische verloren, wenn die falschen Wimpern, die aufgeklebten Nägel, die gesträhnten Locken nicht mehr zu den schlaffen Wangen und dem müden Blick zu passen schienen.
Schon im Garderobenbereich stellte mir Martin ein gutes Dutzend anderer Gäste vor, meist mit Titel und Doppelnamen, von denen ich keinen einzigen behalten konnte. Ich lächelte freundlich und begann, die Männer dieser Kreise zu beneiden, die Chefärzte und Professoren, um deren Zerstreutheit man wusste, weswegen man ihnen zugestand, die gesamte Weiblichkeit eines solchen Abends zum Einheitsbukett der »gnädigen Frau« zu bündeln.
Dem Fotografen, der alle Gäste beim Betreten des Saals ablichtete, bot ich mein schönstes Lächeln, und als Martin danach meinen Arm drückte, war das wie eine Liebeserklärung.
»Dort drüben steht Professor Kartberg, unser Klinikchef«, sagte Martin, »den muss ich begrüßen, kommst du mit?«
Ich folgte ihm lächelnd.
»Mallberg«, rief Martins Chef, »ich bin begeistert, Sie hier zu sehen, und diese bezaubernde junge Dame ist Ihre Ehefrau? Da sind Sie ja wirklich zu beneiden, mein Lieber.«
Nach einigen Floskeln fiel Martin plötzlich auf, dass er die Garderobenmarken nicht eingesteckt hatte. Er entschuldigte sich und ging zurück zum Eingang. Ich blieb bei seinem Chef, der mir sogleich ein Glas Champagner anbot.
»Lieber wäre mir ein trockener Rotwein«, antwortete ich wahrheitsgemäß, und als Professor Kartberg lachte und sich selbst als kein allzu großer Freund von Champagner outete, war ich froh über meine mich selbst überraschende Ehrlichkeit.
»Wir begehen demnächst ein Jubiläum unserer Klinik, und ich würde mich sehr freuen, wenn wir Sie dabei begrüßen dürften.«
»Gern«, antwortete ich.
In diesem Augenblick hörte ich eine Stimme hinter mir: »Hallo, lieber Franz!«
Der Professor antwortete: »Grüß dich, Rino, alter Junge«, und stellte mir Rino Melcher vor.
»Und diese Dame hier, lieber Rino, ist Frau Mallberg, die Frau meines besten Oberarztes.«
»Mallberg?«, fragte Rino. »Haben wir uns nicht irgendwann kennengelernt? Mallberg, das klingt so vertraut.«
»Und wo ist deine Frau?«, fragte Professor Kartberg.
»Zu Hause, es war kein Babysitter zu kriegen. Aber ich bin ja da und werde mich bestimmt amüsieren.«
Er bestellte ein Glas Champagner und stieß mit meinem Rotwein an, den der Kellner mir inzwischen gebracht hatte. »Auf einen schönen Abend«, sagte er und sah mir tief in die Augen. »Schenken Sie mir diesen ersten Tanz?«
Lächelnd entzog ich ihm meinen Arm, den er mit der Geste des sicheren Siegers schon ergriffen hatte, und fragte, mich in die andere Richtung drehend: »Hallo, Schatz, hast du sie gefunden?«
Martin antwortete: »Ja, sie lagen noch an der Garderobe. Komm, wir tanzen.«
Mit einem kleinen Nicken in Rinos Richtung ging ich aufrecht an Martins Seite auf die Tanzfläche.
»Wer war denn dieser Mensch, der sich gerade deiner bemächtigen wollte?«
»Ein alter Freund deines Chefs«, antwortete ich leichthin.
Das Kapitel Rino war letztendlich eins zu eins ausgegangen oder vielleicht sogar zwei zu eins für mich. Denn wenn ich gewollt hätte, hätte ich ihn verführen können. Diese Vorstellung gefiel mir und bescherte mir einen beschwingten Abend, an dem ich mich fühlte wie damals, wie in den alten Zeiten, als wir gedacht hatten, die Welt läge uns zu Füßen.
Am darauffolgenden Sonntagmorgen hätten wir gern ein wenig länger geschlafen, aber schon um halb acht klingelte das Telefon. Es klingelte in meine Träume hinein, in denen ich siebzehn war und Martin fragte, ob wir nicht endlich heiraten sollten, wo wir uns doch schon so lange kannten, oder ob er zuerst sein Studium
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