Kreuzdame - Köln Krimi
zaghaft.
»Könnte sein«, antwortete der Kommissar.
»Ist unser Gespräch schon ausgewertet?«
»Ziemlich, wir liegen sozusagen in den letzten Zügen, und ich bin sicher, in Kürze wissen wir mehr oder vielleicht sogar alles.«
Er war in der Diele stehen geblieben, steckte den Zettel in eine Plastikfolie, verabschiedete sich höflich und war wieder aus der Tür, ehe ich den Mut hatte fassen können, ihn um persönlichen Schutz zu bitten oder ihm wenigstens von meiner Angst zu berichten, von meiner Sorge, mir könnte ebensolches geschehen wie unserem Freund Klaus.
An diesem Tag traute ich mich keinen Schritt vor die Tür, mehr noch, als die Dämmerung hereinbrach, ließ ich alle Rollläden runter, verschloss Haus und Terrassentür und blieb auf der Couch sitzen, mit angezogenen Knien, ohne Radio, ohne Fernsehen, horchend, ob ich etwas Gefährliches hörte, und erst als Martin endlich heimkam, befreite ich die Fenster, machte einen fröhlichen Sender an und konnte wieder aufatmen.
So ging es weiter, bis kein Brot mehr im Haus war und ich mich endlich aufraffte, hinauszugehen, beim Bäcker einzukaufen und wieder heimkehrte, ohne dass sich etwas Schreckliches ereignet hatte. Von da an ging es aufwärts, langsam löste ich mich von der Furcht, versuchte, den Zettel zu vergessen und wieder zurückzukehren zu meinem eigenen normalen Leben.
Zwei Wochen vergingen, ohne dass irgendetwas geschah, weder im positiven Sinne der Ergreifung des Täters noch im negativen einer Bedrohung oder gar Verstümmelung meiner Person.
Dann, eines Tages, klingelte das Telefon. Ich hastete hin. Das war sicher Herr Weber, der mir sagen wollte, dass sie Marco Calucci festgenommen hatten. Doch es war Anna. Vor Erstaunen brachte ich kein Wort heraus, und sie hätte fast wieder aufgelegt, aber dann fragte ich, ob sie in Bayern gewesen wäre und ob sie schon gehört hatte, dass es einen neuen Verdächtigen gab.
»Nein«, antwortete sie, ohne dass ich erkennen konnte, auf welchen Teil meiner Frage sich das bezog. Etwas förmlich bat sie mich dann um ein Gespräch, dem ich überaus schnell zustimmte.
Wir trafen uns im »Hyatt«, oben auf der ersten Etage im Glashaus. Als ich die Treppe hochging, voller Angst vor dem, was sie mir an den Kopf werfen würde, stand sie schon oben, elegant ans Treppengeländer gelehnt, wie einer der Stars, die manchmal hier abstiegen. Sie sah aus, als posiere sie für die Presse. Ich ging lächelnd auf sie zu, doch sie wich der gewohnten Umarmung aus, nickte dem jungen Kellner freundlich zu und schwebte mit wiegenden Schritten vor mir her. Wir nahmen an einem für uns reservierten kleinen Tisch am Fenster Platz, Anna bestellte zwei Kaffee, ohne mich zu fragen, was ich überhaupt wollte, und schaute danach zum Fenster hinaus.
»Anna«, sagte ich, »Anna, was soll ich sagen? Es tut mir furchtbar leid, weißt du, ich –«
»Du hast mich im Stich gelassen«, sagte sie. »Ich hatte dir vertraut.«
»Ich war so erschüttert von deiner Geschichte. Ich musste jemandem davon berichten, wenigstens einem, und dann hat Martin es Herrn Weber erzählt.«
Anna sah mich lange an. »Wahrscheinlich«, sagte sie, »hätte ich wissen müssen, dass du es nicht für dich behalten kannst, du in deinem Harmoniewahn, in deinem Wolkenkuckucksheim. Es war wahrscheinlich meine Schuld. Ich hätte dich nicht ins Vertrauen ziehen dürfen, obwohl du doch immer meine beste Freundin warst, eigentlich vom ersten Schultag an.«
»Es tut mir leid«, flüsterte ich, »und ich glaube auch nicht, dass du es warst, vor allem jetzt nicht, wo ein anderer Verdächtiger aufgetaucht ist.«
»Ach so?«, fragte Anna lächelnd. »Wen haben Sie denn jetzt im Visier, verehrte Frau Mallberg?«
Sie lachte ein falsches Lachen, und ich dachte, dass sie mich niemals verstehen würde. Vielleicht bleiben wir Menschen doch alle immer nur einsam und allein auf unserer kleinen Eisscholle, bis die sich auflöst und wir ertrinken.
Am liebsten wäre ich aufgestanden und weggelaufen, aber nun beugte sich Anna über den Tisch, sah mich sehr ernst an und flüsterte: »Ich sage dir noch einmal, ich war es nicht, auch wenn ich eine gewisse Mitschuld trage … Ja, auch ich habe Schuld, obwohl ich das wirklich nicht gewollt habe, glaube mir.«
Dann griff sie in ihre Tasche, holte ein Blatt heraus, das sie aber gleich wieder verstaute. Sie erhob sich lächelnd, streifte ihre Handschuhe über, nahm ihre Tasche und sah mir fest in die Augen. Jetzt legte sie doch ihre Arme um
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