Kreuzdame - Köln Krimi
nicht eingemischt hätten, wären wir jetzt noch lange nicht so weit. Danke dafür.«
Ich hatte Tränen in den Augen. Klaus hatte nach dem Unfall noch gelebt, Marco Calucci hatte seinen Kopf auf den Asphalt geschlagen. Wie kam ein Mensch mit Einserabitur und Hochschulstudium dazu, einem anderen so etwas anzutun? Wie wurde jemand zum brutalen Mörder? Lag womöglich in jedem von uns etwas verborgen, das nur hervorkroch, wenn wir etwas erlebten, das uns niederwarf, herauswarf aus unserem gewohnten Dasein? Ich sah das traurige Bild vor mir: Klaus auf dem schmutzigen Asphalt der Autobahn, niemand, der seine Augen schloss, niemand, der seine Hand hielt. Klaus, der große Mutmacher, der Liebling der Frauen, der Schönheitsbringer, war mutterseelenallein gestorben. Trotz allem, was er falsch gemacht hatte, einen solchen Tod hatte er nicht verdient, hatte keiner verdient.
»Marco Calucci sitzt in Untersuchungshaft«, fuhr Herr Weber fort. »Und übrigens auch Jennifer Magari. Wir wissen, dass die Drohbriefe von ihr stammen. Dass Sie sich damals als Journalistin ausgaben und in der Klinik anriefen, kam Calucci sehr zupass. Er war für kurze Zeit in der Telefonzentrale als Vertretung eingesprungen und dachte, mit der Herausgabe der Patientenakte das Augenmerk der Polizei mehr auf Frau Magari zu lenken. Auch das hat er uns erzählt. Wir sind froh, Marco Calucci zu diesem Geständnis gebracht zu haben, und das wäre, das darf ich jetzt noch einmal sagen, ohne Ihre Hilfe, Frau Mallberg, nicht so schnell möglich gewesen. Sofern Sie keine weiteren beruflichen Verpflichtungen haben, bei uns sind Sie jederzeit willkommen. Übrigens hat uns Marco Calucci offenbart, wären die letzten Worte von Klaus Bender gewesen: ›Marco! Gott sei Dank!‹ Und danach hat er ihm den Kopf eingeschlagen.«
Herr Weber wünschte mir eine gute Zeit, und dann fügte er noch hinzu: »Fast hätte ich es vergessen: Frau Bender hat uns noch gestanden, dass sie es war, die Ihnen diesen einen Drohzettel geschickt hatte. Die Buchstaben hatte sie aus den Restbeständen der Drohbriefe an ihren Mann herausgeschnitten. Den zweiten hat sie dann doch nicht losgeschickt, den hat sie mir gegeben, hier, wenn Sie ihn lesen wollen.«
»JOURNALISTIN WILLST DU SEIN? LÄCHERLICH!!!«
Ich erschrak.
»Anna?«, fragte ich. »Anna, meine Freundin Anna soll es gewesen sein, die mich in Angst und Schrecken versetzt hat?«
»Schaut ganz danach aus«, antwortete Herr Weber, reichte mir die Hand und begleitete mich bis zur Tür. Als ich die Treppen hinabstieg, wusste ich nicht, ob ich mich freuen sollte, dass es vorbei war, oder ob ich darüber verzweifeln sollte, dass es überhaupt geschehen war.
Auf der Kalker Hauptstraße wendete ich, fuhr über die Severinsbrücke und über die Bonner Straße, sehr langsam und mit Bedacht, wusste nicht, ob sie daheim war und auch nicht, was ich ihr sagen wollte, aber dann saßen wir uns gegenüber: Anna, meine Freundin, die jetzt lächelte und nickte und mir klarmachte, dass sie sich irgendwie habe hinreißen lassen.
»Ja, wie soll ich es nennen? Rache ist zu grob, vielleicht wollte ich nur, dass auch du einmal am eigenen Leibe erfährst, wie es ist, falsch dazustehen, nicht verstanden zu werden und vor allem, sich gefährdet zu fühlen, so wie Klaus, und ich hoffe, der Brief hat dich ein bisschen in Rage gebracht.«
»Woher weißt du, dass ich mich als Journalistin ausgegeben habe?«, fragte ich sie zum Schluss, als sie schon aufgestanden war und nach dem Mantel griff, weil sie einen Termin hätte, bei der Kosmetikerin.
Sie zog die Handschuhe über und sagte lachend: »Auch ich habe Informationsquellen, liebe Britta, auch ich.«
ZWÖLF
Ein neuer Herbst lugte um die Ecke. Es schien, als ob der Sommer sich seiner Müdigkeit schämte und bald das Weite suchen würde.
An einem dieser windigen Oktobertage war Klaus’ erster Todestag. Ein ganzes Jahr ohne ihn war vergangen, eine lange Zeit, während der Charlotte noch filigraner geworden war, noch schöner, könnte man sagen, wie eine Elfe aus feinstem Porzellan. Sie zeichnete wieder, kleinformatig, fertigte limitierte Auflagen an, verkaufte sie und spendete den Erlös. Zeichnen sei eine Form zu leben, sagte sie, und mehr brauche sie nicht. Johannes kam hin und wieder zu ihr ins Atelier, umarmte sie und hoffte, sie werde zu ihm zurückkehren. Es gebe immer einen Weg, hatte er gesagt, »auch für uns, ich bitte dich, Charlotte«, und seitdem lächelte sie wieder.
Verändert hatten wir
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